Der Tod zu Gast in München
Einige Tausend protestierten gegen das Treffen von Politikern, die sie für Krieg, Armut und Flucht verantwortlich machen
Der Tod marschierte durch München: Demonstranten machten mit dieser Verkleidung deutlich, was die zeitgleich tagende Sicherheitskonferenz mächtiger Staats- und Regierungschefs aus ihrer Sicht über die Welt bringt: Krieg, Armut und Flucht. Die Friedensstifter, als die sich die Versammelten im Bayrischen Hof selbst darstellen, sind für sie in Wahrheit die Verursacher von tödlichen Konflikten. Ihnen gehe es nicht um die »Sicherheit für die Menschen auf dem Globus, sondern um die Aufrechterhaltung ihrer weltweiten Vorherrschaft«, kritisierte Claus Schreer vom »Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz« bei der Demonstration, an der sich am Sonnabend einige Tausend Menschen beteiligten. Den Leiter der Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, bezeichnete Schreer als »Scharfmacher im Syrienkrieg«, der selbst den Einsatz von Bodentruppen nicht ausschließen wolle. Die Demonstranten lehnen den Bundeswehreinsatz in Syrien ab und fordern »von Russland, ebenso wie von den NATO-Staaten«, alle Bombenangriffe sofort einzustellen.
Die Kritiker eint die Überzeugung, dass alle militärischen Interventionen der vergangenen Jahre - von Afghanistan über Irak bis Libyen - gründlich gescheitert sind. Sie hätten Hunderttausende zivile Opfer gefordert, Elend und Zerstörung produziert und dramatische Fluchtbewegungen ausgelöst. Die Münchner Sicherheitskonferenz setze diese gescheiterte Politik fort.
Umso zynischer finden die Demonstranten, dass die NATO künftig unter dem Vorwand der Schleuserbekämpfung in der Ägäis Flüchtlinge militärisch abwehren will. Auch die Aufstockung der Bundeswehrkontingente in Afghanistan, Mali und Irak trage nicht dazu bei, die blutigen Konflikte zu lösen. Liedermacher Konstantin Wecker sagte bei der Auftaktkundgebung am Karlsplatz, Europa drohe faschistisch zu werden. »Zeigen wir den Waffenhändlern und Lobbyisten und Kriegstreibern im Bayerischen Hof laut und deutlich, dass sie nicht in unserem Namen handeln.«
Ein Großteil der Demonstranten zog mit Transparenten und von Sprechchören und Lautsprecherwagen begleitet durch die Innenstadt zum Marienplatz. Zudem bildeten erstmals rund 500 Menschen eine Protestkette rund um den Tagungsort am Promenadeplatz gegen die »Kriegskonferenz«. Sie verlief durch die Fußgängerzone, die in der Vergangenheit für normale Demonstrationen tabu war.
Bedrohlich finden die Demonstranten die neue Aufrüstungswelle in den europäischen NATO-Staaten. Die von osteuropäischen Regierungen geforderte Stationierung von NATO-Kontingenten in ihren Staaten werde zudem den Konflikt mit der russischen Regierung anheizen und sei eine Rückkehr zur Abschreckungspolitik des Kalten Krieges, warnten sie.
Die Veranstalter berichteten von insgesamt etwa 4000 Teilnehmern, die Polizei von etwa 3000 Demonstranten. Es gab acht Festnahmen, unter anderem wegen des Anzündens von Pyrotechnik. Die Polizei reagierte mit Pfefferspray, zieht aber insgesamt den Schluss, dass »es weitestgehend friedlich« blieb. Rund 90 linke und kommunistische Organisationen sowie Friedensgruppen unterstützten die Aktionen bundesweit.
Bei einer ebenfalls in München stattfindenden Friedenskonferenz mit rund 300 Teilnehmern diskutierten keine hochrangigen Politiker, sondern Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, Friedensforscher und Friedensaktivisten über zivile Alternativen, die Welt friedlicher zu machen. Sie fordern eine Stärkung der Vereinten Nationen, einen Stopp von Rüstungsexporten, präventive Diplomatie sowie eine »präventive Wirtschaftspolitik«. »Unser Lebensstil muss so angelegt sein, dass er andere Menschen auf anderen Kontinenten überleben lässt«, betont der Friedensreferent des Internationalen Versöhnungsbundes, Clemens Ronnefeldt. Zugleich habe sich jüngst wieder erwiesen, dass Diplomatie als Mittel zum Frieden funktioniere: »Die Chemiewaffen in Syrien sind weggekommen ohne Krieg und der Iran-Atomstreit wurde beigelegt ohne die Bombardierung des Landes.«
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