Ausnahmezustand wird Normalität in Frankreich

Französische Nationalversammlung beschließt Verlängerung um weitere drei Monate bis Mai / Weiterhin Durchsuchungen ohne Richterbeschluss möglich / 3400 solcher Eingriffe führten bisher zu ganzen sechs Verfahren

  • Lesedauer: 3 Min.
Während die Rockband »Eagles of Death Metal« das von Terroristen im November gestürmte Konzert in Paris »fortsetzten«, beschloss die Nationalversamlung die Verlängerung des Ausnahmezustands - er wird zur Normalität.

Paris. Die französische Nationalversammlung hat mit einer Verlängerung des Ausnahmezustandes der Regierung weiter umfassende Sonderrechte im Kampf gegen den Terrorismus eingeräumt. Das Parlament beschloss am Dienstag in Paris, die umstrittenen Regelungen weitere drei Monate in Kraft zu lassen. Die Parlamentarier votierten mit 212 gegen 31 Stimmen für die von der Regierung unter Präsident François Hollande angeschobene Verlängerung. Der Senat als zweite Parlamentskammer hatte bereits in der vergangenen Woche zugestimmt.

Der Ausnahmezustand gilt seit den Attentaten vom 13. November, bei denen drei Terrorkommandos 130 Menschen in Clubs, Kneipen und Restaurants in Paris sowie am Fußballstadion Stade de France in Saint-Denis ermordet hatten. Das Parlament hatte die zunächst von der Regierung in Kraft gesetzten Regelungen bereits um drei Monate bis zum 26. Februar verlängert.

Die Regierung hält die Maßnahme für weiter notwendig, um ihren Kampf gegen den Terrorismus in Frankreich fortsetzen zu können. Vor allem Bürgerrechtsorganisationen zweifeln am Nutzen der Sonderregelungen, die etwa Durchsuchungen ohne richterliche Anordnungen ermöglichen. So stehen nach Zahlen der Regierung fast 3400 solcher Eingriffe bisher sechs Verfahren wegen Terrorismus gegenüber.

Innenminister Bernard Cazeneuve betonte im Parlament, es sei noch zu früh, um eine Bilanz aller Maßnahmen im Rahmen des Ausnahmezustandes zu ziehen. Aus Sicht der Regierung ist der Ausnahmezustand im Kampf gegen den Terrorismus weiter notwendig. Nach den »Attentaten ohne Beispiel« sei die Bedrohung höher als je zuvor, sagte Cazeneuve.

Unabhängig davon wird über eine ebenfalls umstrittene Verfassungsänderung beraten. Die Nationalversammlung hatte in der vergangenen Woche zugestimmt, verurteilten Terroristen per Verfassung die französische Staatsbürgerschaft wegzunehmen. Das Vorhaben wird etwa vom linken Flügel der regierenden Sozialisten kritisiert, weil faktisch nur Doppelstaatsbürger betroffen wären. Auch soll der bisher nur in einem Gesetz geregelte Ausnahmezustand in die Verfassung aufgenommen werden. Die Parlamentskammern müssen noch einen identischen Text beschließen, bevor eine gemeinsame Sitzung von Abgeordneten und Senatoren mit Drei-Fünftel-Mehrheit beschließen muss.

Drei Monate, nachdem Islamisten ihr Konzert im Pariser Bataclan mit Maschinengewehrsalven blutig beendeten, hat die US-Rockband Eagles of Death Metal ihren Auftritt in der französischen Hauptstadt »fortgesetzt«: Sichtlich bewegt erschienen die kalifornischen Musiker am Dienstagabend auf der Bühne des Olympia, um vor Überlebenden, Opferangehörigen und Fans zu spielen.

Die Band war erstmals knapp einen Monat nach den Anschlägen als Überraschungsgast eines U2-Konzerts nach Paris zurückgekehrt. Wenige Tage später kündigten die Musiker für den 16. Februar ein ganzes Konzert in Paris an - und luden alle Besucher des attackierten Bataclan-Auftritts ein, um das Konzert »zu Ende zu spielen«. Dafür wichen sie in das Olympia aus, da das Bataclan weiter geschlossen ist. Agenturen/nd

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