In dubio contra Kevin Cooper
In Kalifornien soll eine Todesstrafe exekutiert werden, obwohl zwölf Bundesrichter an der Schuld zweifeln
Der seit Juni 1983 inhaftierte und wegen vierfachen Mordes verurteilte Kevin Cooper soll demnächst im US-Bundesstaat Kalifornien hingerichtet werden. Er beteuert nach wie vor seine Unschuld. Seit 2004 haben außerdem zwölf Bundesberufungsrichter ihre Zweifel an seiner Schuld geäußert. Doch die zuständigen Behörden halten trotzdem an der Hinrichtung fest. Die Anwälte befürchten eine zügige Umsetzung des Hinrichtungsbefehls mit kurzem Vorlauf.
»Der Bundesstaat Kalifornien ist möglicherweise im Begriff, einen unschuldigen Mann hinzurichten.« Dieser Hinweis kommt nicht vom Anwalt des Todeskandidaten oder von Todesstrafen-Gegnern, sondern von fünf Bundesrichtern, die schwere Vorwürfe gegen das Amtsgericht erheben, das Cooper 1985 zum Tode verurteilte. Die Staatsanwaltschaft habe Beweise gefälscht, Falschaussagen vor Gericht präsentiert, Beweismaterial vernichtet, bevor dieses von der Geschworenen-Jury geprüft werden konnte, und ihnen entlastende Beweise der Verteidigung nicht zukommen lassen. Das Amtsgericht habe Cooper somit ein faires Verfahren vorenthalten, so die fünf Richter.
Sechs weitere Bundesrichter attestierten dem Gericht ebenfalls gravierende Verfahrensfehler und bemängelten, dass diese Vorgehensweise das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität der Strafjustiz erschüttere. Ein zwölfter Richter äußerte »anhaltende Zweifel« an dem Urteil von 1985.
Cooper wird der Mord an dem Ehepaar Peggy und Douglas Ryen, ihrer zehnjährigen Tochter Jessica, dem Nachbarssohn Chris Hughes, der im Haus der Ryens übernachtete, sowie die lebensbedrohliche Verletzung des damals achtjährigen Josh Ryen vorgeworfen. Der Untersuchungsrichter war seinerzeit zu der Ansicht gelangt, dass die Morde höchstens vier Minuten in Anspruch nahmen und dass die Mordwaffen ein Beil, ein langes Messer, ein Eispickel und vielleicht ein zweites Messer waren.
Vier Minuten, vier verschiedene Waffen - aber nur ein Verdächtiger. Nämlich Cooper. Der war ins Visier der Polizeifahnder geraten, weil er kurz zuvor aus einem Gefängnis ausgebrochen war und sich in einem nahe gelegenen Unterschlupf versteckt hatte. Er habe den Wagen der Familie stehlen und sich damit nach Mexiko absetzen wollen, so der Untersuchungsrichter. Außerdem sei sein Blut sowie Zigarettenpapier am Tatort gefunden worden.
Nachdem Josh Ryen sich von seinen schweren Verletzungen erholt hatte, sagte er aus, dass drei weiße oder vielleicht auch lateinamerikanische Männer die Tat begangen hätten, aber kein Schwarzer daran beteiligt gewesen sei. Cooper ist Afroamerikaner. Diese Aussage war der Auftakt für einen nunmehr fast 31 Jahre andauernden juristischen Kampf um das Leben Coopers. Inzwischen scheint festzustehen, dass das fragliche Blut am Tatort nicht von Cooper stammt. Allerdings gibt es nicht die Möglichkeit, das mittels eines erneuten DNA-Tests zweifelsfrei zu beweisen, da bei den vorherigen Tests die Blutproben komplett aufgebraucht wurden.
Die Initiative »Free Kevin Cooper« startete eine Petition gegen die Hinrichtung. Unklarheit herrscht jedoch bezüglich des genauen Termins. Die Hinrichtungsgegner gingen zunächst vom 10. Februar aus, doch das ist ein veraltetes Datum aus dem Jahr 2004, als schon einmal ein Termin festgelegt worden war. Weniger als acht Stunden vor seiner Hinrichtung gewährte damals ein Bundesberufungsgericht Cooper einen Hinrichtungsaufschub. Offenbar gibt es aktuell keinen festgelegten Termin, der öffentlich mitgeteilt wurde. Coopers Anwälte gehen davon aus, dass die zuständigen Behörden ihren Mandanten sehr kurzfristig informieren werden - um Proteste zu verhindern.
Im US-Bundesstaat Kalifornien wurden sämtliche Hinrichtungen 2006 ausgesetzt, weil einer der Wirkstoffe für die aus drei Seren bestehende Kombination der Todesspritzen in den USA nicht erhältlich war.
Im Jahr 2012 stimmte die Bevölkerung Kaliforniens in einem Referendum für die Fortsetzung der Todesstrafe. Nun befürchten Coopers Anwälte, dass Ihr Mandant der erste Gefangene sein könnte, an dem die Todesstrafe wieder vollstreckt wird.
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