Alternatives Kino?

Woche der Kritik

  • Günther Agde
  • Lesedauer: 2 Min.

Zum zweiten Mal veranstaltete der Verband der deutschen Filmkritik parallel zur Berlinale eine »Woche der Kritik« (zugegeben ein mehr als spröder Titel): Eine Woche lang wurden elf Filme im Kino Hackesche Höfe gezeigt, allesamt internationale Produktionen, ohne Jury und ohne Preis, mit munteren Streitgesprächen nach jedem Film.

Der Verband, der mit seinen 300 Mitgliedern die größte nationale Sektion innerhalb der internationalen Filmkritiker-Vereinigung Fipresci stellt, formulierte für seine »Woche« zentrale Fragen: »Nach welchen Maßstäben werden Filme heute produziert, ausgewählt und gesehen? Wo werden Filme gezeigt, von wem und unter welchen Bedingungen? Wer schreibt über Filme und wie?« Jeder, der dies fragt, hat eine andere Antwort, erst die Summe aller ergibt Sinn. Keiner kann sie schnell beantworten, gerade bei Produktionszwängen und Finanzierungsnöten. Die Fragen, die die Berlinale selbst kaum stellt, verlangen Antworten auf lange Sicht. Es bleibt wichtig, dass sie gestellt und immer wieder gestellt werden. Sonst gehen die möglichen Antworten in der rasanten, oft unübersichtlichen Entwicklung verloren, was ein Verlust an - ja: an Kultur wäre. Die Veranstalter hoffen: »Unsere Debatten enden nicht im Kinosaal.«

Aber: Was ist alternatives Kino? Ein anderes Kino um jeden Preis? Und wenn ja, welches? Die präsentierten Filme sprengten traditionelle und gängige Erzählformen, rissen sie auseinander und zersplitterten sie, boten Bilderexplosionen und vernachlässigten die Geschichten. Man sah viel Schnippel-Video pur, Youtube-Späße, interaktives Umherhüpfen, formale und technische Experimente der allerextremsten Art, oft auch unter merklichem Verzicht auf soziale Grundierungen. Die Experimente boten freilich - quasi nebenbei - auch allerhand amüsante Kapitalismuskritik. Unter dem glitzernden Panzer formalen Tohuwabohus und der Lust am So-Ganz-Anderen steckte allemal auch die Sehnsucht der Filmemacher, Zuschauer zu erreichen.

Damit stellte sich der Verband eigenwillig und bewusst der Wohlfühlsucht der Berlinale entgegen und auch ihrem Expansionsbestreben (immer mehr Spielstellen und immer mehr Einzelprogramme). Die überregionale Berichterstattung über die Berlinale ignorierte den aufmüpfigen Kritiker-Ansatz, ein Defizit öffentlicher Wahrnehmung aktueller Kino-Überlegungen. Die Partner Heinrich-Böll-Stiftung und Bundeszentrale für politische Bildung freilich adelten das Projekt durch ihr öffentliches Gewicht.

Bleibt zu fragen (und zu hoffen), dass dieses andere Kino nicht nur von eingeweihten Spezialisten gepriesen und besucht wird, sondern auch produziert und von den Verleihen multipliziert und vor allem auch von Zuschauern so angenommen wird, dass es sich im Mainstream auch auf lange Sicht durchsetzt.

Die Filme werden an diesem Sonntag ab 10 Uhr im Hackesche Höfe Kino wiederholt.

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