Kompromiss mit Bauern verfehlt
Griechischer Ministerpräsident ringt verzweifelt um den Rückhalt für seine Regierung
Der griechische Ministerpräsident bemüht sich um Optimismus: Er sei sicher, dass die »aufrichtigen Bemühungen« der Regierung um einen Kompromiss mit den Bauern auf fruchtbaren Boden gefallen seien, erklärte Alexis Tsipras am Montag nach einem fünfstündigen Gespräch mit Vertretern der einheimischen Landwirte. Die Abgesandten von 52 der insgesamt weit über 100 von den Bauern gehaltenen Blockadepunkten an allen wichtigen Straßen des Landes sahen dies jedoch anders. Die Vorschläge der Regierung seien mehrheitlich an den Forderungen der Bauern vorbeigegangen, erklärte beispielsweise Christos Sideropoulos von der seit mehr als einem Monat gehaltenen Blockade bei Tempi, auf der Hauptroute zwischen Athen und Thessaloniki am Dienstag im griechischen Fernsehen.
Die Regierung hatte den Landwirten vor allem eine langsamere Umsetzung der ohnehin mit den Gläubigern Griechenlands ausgehandelten Rentenreform versprochen. So sollen deren Beiträge schrittweise statt in drei nun in fünf Jahren von derzeit etwa 6 auf 20 Prozent des Monatseinkommens angehoben werden. Ausschließlich in der Bauernkasse versicherte, »hauptberufliche Bauern« sollen darüber hinaus die Möglichkeit haben, nur 16 Prozent Beitrag zu zahlen. Im Gegenzug wird aber eine geringere Rente ausgezahlt werden. Ohnehin kann nur knapp ein Drittel der etwa 90 000 griechischen Bauern ausschließlich von der Landwirtschaft leben. Die übrigen sind auf ein Zubrot, so im Tourismus oder der Baubranche, angewiesen und in den entsprechenden Kassen zusatzversichert. Die Lage auf den Straßen war dementsprechend am Dienstag alles andere als entspannt. Während die Vertreter der Agrarorganisationen am Dienstag zu ihren Kollegen an den Blockaden zurückkehrten, hatten diese ihre Aktionen bereits teilweise verstärkt. Entweder, indem weitere Punkte eingerichtet wurden, oder durch die Ausdehnung der Zeitspanne, in denen der Verkehr an den bestehenden Blockaden vollständig lahmgelegt wird.
Ministerpräsident Tsipras wird dadurch in eine Zwickmühle gebracht. Denn die Vertreter der Gläubiger in EU, IWF, EZB und ESM bestehen auf schnelle Umsetzung der Rentenreform, bei der sie zudem auf stärkere Einschnitte bestehen. Die bereits seit Anfang des Jahres anstehende Überprüfung der Fortschritte bei der Umsetzung der mit den Gläubigern vereinbarten Maßnahmen wurde dagegen erst einmal ausgesetzt.
Ohne überprüfte Vollzugsmeldung bei Rentenreform, Schließung einer von den Gläubigern ausgemachten neuen Haushaltslücke und ersten Erfolgen bei der Privatisierung von Staatsunternehmen aber wird es keine neuen Mittel geben. Auch die in Aussicht gestellten Verhandlungen über Schuldenerleichterung können erst danach beginnen. Genau diese aber braucht Tsipras, um dem Schwinden des Rückhalts für seine Regierung in der Bevölkerung Einhalt zu gebieten. Umfragen zufolge liegt seine Partei bereits mehr als drei Prozentpunkte hinter der konservativen Oppositionspartei Nea Dimokratia. Deren Vorsitzender Kyriakos Mitsotakis hat bereits angekündigt, eher Neuwahlen als eine Mehrparteienregierung zu favorisieren. Im Parlament verfügt die Regierungskoalition SYRIZA-ANEL noch über eine knappe Mehrheit von 153 der 300 Sitze. Ohne sichtbare Erfolge und bei anhaltenden Protesten ist es fraglich, ob sie die von den Gläubigern geforderten weiteren drastischen Einsparungen durchbringen kann.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!