Die Wirtschaftslobby bestimmt
CSU blockiert Einigungen der Koalition bei Erbschaftsteuer, Leiharbeit und Werkverträgen
In der Großen Koalition nehmen die Konflikte zu. Weil die CSU die Gesetzentwürfe zur Erbschaftsteuer sowie zu Leiharbeit und Werksverträgen blockiert, warf SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann den bayerischen Konservativen am Donnerstag vor, aus Frust, dass sie in der Flüchtlingspolitik bei Kanzlerin Angela Merkel zu wenig Gehör finden, »die Geschäftsgrundlage des Koalitionsvertrages« zu zerstören. In diesem Vertrag hatten sich Union und SPD darauf geeinigt, den Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit künftig zu verhindern. Die Betroffenen werden nämlich im Vergleich zur Stammbelegschaft benachteiligt. Das betrifft etwa das Gehalt und die Arbeitnehmerrechte.
Obwohl Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) in der vergangenen Woche einen entsprechenden Gesetzentwurf im Sinne der Unternehmerinteressen und zum Ärger vieler Gewerkschaftsführer verwässert hatte, beharrt die CSU auf weiteren Änderungen. Der überarbeitete Entwurf sieht vor, dass Abweichungen von der Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten und vom Equal Pay (gleiche Bezahlung) nicht nur dann möglich sein sollen, wenn Gewerkschaften und Arbeitgeber entsprechende tarifvertragliche Vereinbarungen treffen, sondern unter bestimmten Bedingungen auch für Unternehmen ohne Tarifbindung. Allerdings ist in dem neuen Gesetz auch geplant, dass Betriebsräte bessere Informationen über den Einsatz von Werkvertragsnehmern erhalten. Zudem soll verhindert werden, dass Leiharbeiter von Unternehmern als Streikbrecher eingesetzt werden. Dieser Punkt ist der CSU ein Dorn im Auge. Bayerns Arbeitsministerin Emilia Müller forderte eine Prüfung, ob ein solches Verbot verfassungsrechtlich zulässig sei.
Für Nahles kam der Widerstand aus den Reihen der Union offenbar überraschend. Denn die Konservativen hatten ihr fest zugesagt, dass der neue Gesetzentwurf in die Ressortabstimmung gegeben werden könne. Dabei handelt es sich um die Abstimmung zwischen den beteiligten Ministerien, bevor der Entwurf dem Kabinett zugeleitet wird. Doch so weit kam es auf Wunsch der CSU gar nicht. Die Folge waren heftige interne Auseinandersetzungen zwischen Regierungspolitikern von Union und SPD. Nahles lehnt es ab, den Entwurf erneut zu ändern. Eine Million Leiharbeiter warteten auf mehr Geld und Sicherheit, sagte sie. Das Gesetz sollte eigentlich Anfang 2017 in Kraft treten. Ob dieser Zeitplan eingehalten werden kann, ist nun vollkommen unklar. Dabei hat sich Nahles schon sehr viel Zeit gelassen. »Zwei Jahre hat sie aus Rücksicht auf Union und Arbeitgeber nichts unternommen, um den Missbrauch bei Leiharbeit und Werkverträgen einzuschränken«, kritisierte Jutta Krellmann, gewerkschaftspolitische Sprecherin der Linksfraktion. Nahles sei erst an der Arbeitgeberlobby und nun am eigenen Koalitionspartner gescheitert.
Bei der Reform der Erbschaftsteuer verlangt die CSU ebenfalls Änderungen an dem bislang vorliegenden Kompromissvorschlag. Ähnlich wie bei den Debatten über Leiharbeit und Werkverträge machen sich die Bayern hier die Haltung von neoliberalen Wirtschaftsvertretern zu eigen. Mit diesen hatte sich der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer am Sonntag in Berlin getroffen, bevor er öffentlich »weitere Nachbesserungen« bei der Erbschaftsteuerreform forderte. Die CSU jammert bereits seit Monaten, dass mittelständische Unternehmen durch die Reform stärker belastet werden könnten. Nach einem Entwurf von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) soll künftig auch privates Vermögen bei der Vererbung von Betrieben berücksichtigt werden. Für Kleinunternehmen sind Ausnahmen vorgesehen.
Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Carsten Schneider sieht eine Einigung in der Koalition nicht möglich, solange sich die bayerische Staatsregierung »zum Sachwalter maßloser Lobbyanliegen« mache. Allerdings muss die Reform der Erbschaftsteuer bis Juni stehen. Das Bundesverfassungsgericht hatte Teile der geltenden Steuer wegen der großzügigen Ausnahmen für Betriebserben für verfassungswidrig erklärt.
Kommentar Seite 4
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.