Im Sande verlaufen
Markus Rehm will bei Olympia starten, doch der Weltleichtathletikverband hält ihn hin
Öffentlicher Druck schadet nie, um Bewegung in eine festgefahrene Sache zu bringen. Das dachten sich in der vergangenen Woche auch der Deutsche Behindertensportverband (DBS) und sein Vorzeigeathlet Weitspringer Markus Rehm. Also warfen sie per Pressemitteilung am 18. Februar dem Weltleichtathletikverband IAAF vor, sie seit Monaten zu ignorieren. Einen Tag später landeten plötzlich E-Mails in den Postfächern.
Die IAAF hatte im August 2015 eine viel kritisierte Regel aufgestellt, nach der Athleten, die auf »technische Hilfe« angewiesen sind - im Fall Rehms eine Unterschenkelprothese -, fortan selbst nachweisen müssen, dass ihnen dadurch im Wettkampf mit nichtbehinderten Athleten kein Vorteil entsteht. Ansonsten sind sie von Olympia und WM ausgeschlossen. Da außer dem Leverkusener kein anderer Behindertensportler an die Leistungen der besten Nichtbehinderten herankommt, konnte man durchaus von einer »Causa Rehm« sprechen.
Der will aber unbedingt bei Olympia dabei sein und bat gemeinsam mit dem DBS beim neuen IAAF-Präsidenten Sebastian Coe um Klarstellung: Wie soll der Beweis geführt werden? Welche Kriterien stellt die IAAF dafür auf? Schließlich wolle man kein Geld in ein Gutachten stecken, dass die IAAF dann aus vorher unbekannten Gründen doch ablehnt. Anfang Dezember schrieb der DBS erstmals an die IAAF. Die antwortete knapp zehn Tage später, dass sich Coe aufgrund vieler Termine nicht persönlich darum kümmern könne, es aber bald eine genauere Antwort vom Verband geben werde.
Zwei Monate lang kam die aber nicht, auch nicht nach einem Erinnerungsbrief des DBS. Also ging er an die Öffentlichkeit. »Es ist ein bedenkliches Signal, dass so ein großer Verband nicht in der Lage zu sein scheint, innerhalb von mehr als zehn Wochen eine Auskunft zu unserem Anliegen zu geben. Das verstehen wir nicht als respektvollen Umgang miteinander«, beklagte DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher.
Die IAAF teilte nun dem »nd« auf Nachfrage mit, dem DBS sehr wohl geantwortet zu haben, meinte damit aber wohl nur die erste knappe Antwort. »Die IAAF hat weder den DBS noch den Athleten ignoriert«, betonte IAAF-Sprecher Chris Turner. Außerdem habe man den Deutschen Leichtathletikverband (DLV) um die Details von dessen Analyse bei Rehm im vergangenen Jahr gebeten. Dass diese Untersuchung schon im Sommer 2014 durchgeführt wurde und außerdem kaum aussagekräftig ist, verschwieg die IAAF ebenso wie den Fakt, dass die Anfrage an den DLV erst am 19. Februar gestellt worden war, also erst einen Tag nach dem »Brandbrief« des DBS.
Auch der Behindertensportverband hatte am vergangenen Freitag Post von der IAAF erhalten, und plötzlich war sie doch von Coe selbst unterschrieben, wie »nd« erfuhr. »Die Antwort war aber leider auch nicht zufriedenstellend«, sagte DBS-Sprecher Kevin Müller. Auch hier gebe es lediglich den Verweis auf die DLV-Untersuchung und immer noch keine Kriterien. »Dabei hatten wir schon im Dezember darauf hingewiesen, dass die Zeit drängt. Die Olympischen Spiele beginnen schon in gut fünf Monaten«, so Müller.
Das Team um Markus Rehm ist ohnehin zweigleisig gefahren und stellt gerade eine eigene Untersuchung auf die Beine. »Wir sind schon zu etwa 90 Prozent bereit«, sagte Rehms Manager Lars Bischof am Donnerstag dem »nd«. In zwei Wochen wolle er mit zwei bis drei internationalen Instituten das Forschungsdesign vorstellen. »Es wäre super, wenn tatsächlich Bewegung hineinkommt, und wir hoffen, dass das nun keine Hinhaltetaktik der IAAF ist. Natürlich wäre es optimal, wenn wir ihre Kriterien noch einbauen könnten, aber wir werden nicht noch mal acht Wochen darauf warten«, so Bischof. Das eigene Gutachten soll weit über eine biomechanische Analyse von Rehms Sprungstil hinausgehen. Der 27-Jährige solle vielmehr mit internationalen, behinderten wie nichtbehinderten Sportlern verglichen werden. Nur so könne man feststellen, ob Rehms Prothese einen Vorteil darstelle oder nicht.
Allein könnte der Paralympicssieger und vierfache Weltmeister das Geld für eine solche Studie nie aufbringen. Sponsoren habe man dafür auch nicht akquiriert. Vielmehr zählte man darauf, dass die universitären Partner von sich aus ihr wissenschaftliches Interesse stillen möchten. Diese Hoffnung scheint nun erfüllt zu werden. Die auf eine zufriedenstellende Antwort der IAAF aber ist nur noch sehr klein.
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