140.000 Flüchtlinge in Deutschland verschwunden

Regierung geht von Weiterreise oder Untertauchen aus / Anstieg der Suchanfragen beim Roten Kreuz um 60 Prozent

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Berlin. Mehr als jeder zehnte im vergangenen Jahr in Deutschland registrierte Flüchtling ist nicht bei der zuständigen Aufnahmeeinrichtung angekommen. Das räumte das Bundesinnenministerium in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linken ein, die der »Süddeutschen Zeitung« vorlag. Das betrifft demnach rund 13 Prozent der etwa 1,1 Millionen Flüchtlinge, die 2015 erfasst wurden, also rund 143.000 Menschen. Als mögliche Gründe nennt das Ministerium dem Bericht zufolge unter anderem Weiterreisen in andere Länder und das »Untertauchen in die Illegalität«.

Dem Bericht zufolge geht aus der Antwort des Innenministeriums auch hervor, dass Deutschland immer weniger Asylbewerber an die eigentlich zuständigen EU-Länder abgeben kann. Demnach stellten die deutschen Behörden nur noch bei jedem zehnten Asylbewerber die Anfrage an einen EU-Partner, diesen zurückzunehmen. Im Jahr 2014 waren dies noch bei jedem fünften Bewerber der Fall gewesen.

Laut dem Dublin-System der EU ist derjenige Mitgliedsstaat für den Schutzsuchenden verantwortlich, in dem der Flüchtling erstmals nachweislich den Boden der EU betritt. Während Deutschland 2015 fast 45.000 sogenannte Übernahmeersuchen an andere Staaten stellte, wurden lediglich knapp 3.600 vollzogen. Zugleich schickten umgekehrt andere EU-Staaten gut 3.000 Asylsuchende in die Bundesrepublik, so dass in der Bilanz nicht einmal 600 Menschen aus Deutschland in die EU verteilt wurden.

Auch das Deutsche Rote Kreuz verzeichnet bei der Suche nach Flüchtlingskindern oder deren Eltern einen Anstieg der Anfragen um 60 Prozent. »Die wachsenden Zahlen hängen direkt mit den starken Flüchtlingsbewegungen nach Europa zusammen. Unter den Suchenden befinden sich viele Kinder unter 15 Jahren«, sagte DRK-Präsident Rudolf Seiters der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. In der Regel könne das Rote Kreuz in zwei Dritteln aller Fälle helfen.

»Durch das einzigartige internationale Netzwerk des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes gelingt es immer wieder, verloren gegangene Kontakte zwischen Familien wiederherzustellen«, sagte Seiters. Ende Dezember 2015 zählte der Suchdienst 345 Betroffene, die jeweils in Ungewissheit über das Schicksal ihres Kindes oder das ihrer Eltern waren. Im Jahr 2015 ist die Gesamtzahl der Fälle gegenüber 2014 damit um 60 Prozent gestiegen.

Der DRK-Suchdienst hat sein Hilfsangebot speziell für Kinder unter 15 Jahren in einem Pilotprojekt ausgeweitet. Die Website www.tracetheface.org ist laut DRK bereits seit 2013 aktiv und richtet sich bisher an Flüchtlinge ab 15 Jahren in Europa, die ihre Angehörigen auf der Flucht verloren haben und sie in einem europäischen Land vermuten. Um auch die Suche von und nach unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen unter 15 Jahren zu unterstützen, steht jetzt mit Trace the Face-kids innerhalb der Website www.tracetheface.org außerdem ein passwortgeschützter Bereich zur Verfügung. Hier veröffentlichen ausschließlich Rotkreuz-Suchdienste Fotos von Kindern, die nach ihren Angehörigen suchen, sowie Fotos von Angehörigen, die nach Kindern suchen.

Über das Rote Kreuz des Landes, in dem sie sich aufhalten, können diese Menschen ihr Foto online einstellen lassen. Auch über Plakate werden die Bilder als Suchanfrage mit der Angabe, welche Familienangehörigen die jeweiligen Personen suchen weltweit veröffentlicht. Agenturen/nd

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