Rechtsaußen-Partei AfD drittstärkste Kraft in Hessen
Kommunalwahl bestätigt Bundestrend / CDU, SPD und Grüne verlieren / Linkspartei und FDP legen zu / NPD in Büdingen über 14 Prozent / Lafontaine: AfD erstarkt wegen Merkels Flüchtlingspolitik
Berlin. Das starke Abschneiden der Rechtsaußen-Partei AfD bei den Kommunalwahlen in Hessen bestätigt den beängstigenden bundespolitischen Trend: Laut der vorliegenden Zahlen kommt die Anti-Asyl-Partei, die verbal gegen Medien, demokratische Parteien und Geflüchtete Front macht, auf 13,2 Prozent - sie wird damit landesweit drittstärkste Kraft noch vor den Grünen. Allerdings sind noch nicht alle Stimmzettel ausgewertet. Dies dauert noch mehrere Tage.
Was sich bereits jetzt sagen lässt: Die rechten Parteien (NPD, Republikaner, AfD) werden an vielen Orten im Endergebnis deutlich schlechter abschneiden, als es die ersten Trends am Sonntagabend erwarten ließen. Das zeigte der Journalist Hanning Voigts von der »Frankfurter Rundschau« am späten Montagnachmittag via Twitter. Leun wurden etwa der NPD im Trend noch 17,3 Prozent bescheinigt, im vorläufigen Endergebnis bleibt mit 11,3 Prozent immer noch ein hohes, aber doch deutlich geringeres Resultat stehen. Ähnlich ist es in Ebersburg mit den Republikanern (9,8 Prozent im Trend und 4,3 Prozent real).
Auch die AfD lag in den Trendergebnissen teilweise viel höher als im vorläufigen Endergebnis. Das trifft etwa in Volksmarsen (von 15,5 Prozent im Trend auf 9,8 Prozent im Endresulatat), Neu-Isenburg (von 16,9 auf 12,5 Prozent) und in Bad Karlshofen (von 22,3 auf 14 Prozent) zu. So oder so bleiben die hohen Zustimmungswerte aus dem Wahlvolk für die rechten Parteien alarmieren.
Aus Saarbrücken meldete sich darum am Montagnachmittag Oskar Lafontaine (LINKE) zu Wort. Das Erstarken der AfD ist nach seiner Ansicht das Ergebnis der »gescheiterten Flüchtlingspolitik« von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). »Die Kanzlerin weigert sich, soziale Verbesserungen auf den Weg zu bringen«, sagte der Vorsitzende der Linksfraktion im Saar-Landtag am Dienstag. Den Menschen in Deutschland werde immer mehr bewusst, »dass sie die Kosten der Flüchtlingsaufnahme durch steigende Mieten und stagnierende soziale Leistungen bezahlen« müssten.
Sie wählten aus Protest zunehmend AfD, ohne deren Programm zu kennen. Lafontaine forderte erneut einen »sozialen Ausgleich im Innern«, um den Menschen zu zeigen, dass auch an sie gedacht werde, etwa durch höhere Mindestlöhne und eine Erhöhung des Hartz-IV-Satzes. Durch die Resultate bei den hessischen Kommunalwahlen sieht sich der ehemalige SPD-Chef bestätigt.
In Frankfurt am Main holte die AfD aus dem Stand 10,3 Prozent. Die »Frankfurter Rundschau« zitiert den CDU-Kreischef Uwe Becker mit den Worten, er habe die Rechtsaußen-Partei »nicht so stark erwartet, aber die Bundespolitik spielt hier eine starke Rolle«. Die Union habe Stimmen abgeben müssen, gestand Becker zu. Der Wirtschaftsdezernent Markus Frank sagte, das Abschneiden der AfD passe »überhaupt nicht zur liberalen und toleranten Stadt Frankfurt«.
Auch in anderen hessischen Landkreisen und Städten erreichte die Rechtsaußen-Partei vielerorts zweistellige Ergebnisse. In Wiesbaden steuerte die AfD am Sonntagabend darauf zu, drittstärkste Kraft in der Stadtverordnetenversammlung zu werden. Bei der Auszählung zum Trendergebnis kam die Partei nach Auswertung von 224 der 248 Wahlbezirke auf 16,2 Prozent und lag damit hinter SPD (24,3 Prozent) und CDU (23,2 Prozent). Im Wiesbadener Stadtparlament stellte bislang die CDU die größte Fraktion. Die Linkspartei erreichte 6,5 Prozent.
In Kassel kam die AfD nach dem Trendergebnis auf 12,2 Prozent. Stärkste Partei wurde die SPD mit 30,3 Prozent bleiben, gefolgt von CDU (20,6 Prozent) und Grünen (17,0 Prozent) sowie der Linkspartei mit zehn Prozent.
In Darmstadt war die AfD nach Auszählung von 104 der 117 Wahlbezirke viertstärkste Kraft. Mit klarem Abstand vorne lagen die Grünen mit 31,6, Prozent, gefolgt von der CDU (18,0 Prozent) und der SPD (14,8 Prozent). Die Linkspartei errang etwa 6,5 Prozent. Beide Parteien verzeichneten demnach Verluste von mehr als sechs Prozentpunkten.
In Dietzenbach wurde die AfD zweitstärkste Kraft mit 19,6 Prozent - sie liegt laut der vorliegenden Zahlen vor der SPD, die 18,6 Prozent erhält. Im Wetterauer Kreistag wird die Rechtsaußen-Partei mit 13,2 Prozent drittstärkste Kraft.
In Kassel erreichte die AfD aus dem Stand 12,2 Prozent. Im nordhessischen Bad Karlshafen holten die Rechtsaußen sogar 22,3 Prozent der Stimmen und lagen damit vor SPD (22,1 Prozent) und CDU (17,2 Prozent).
Die Ergebnisse für die AfD seien »besorgniserregend«, kommentierte die hessische Linkspartei Politikerin Janine Wissler die Zahlen. »Wenn andere Parteien die Forderungen der AfD übernehmen, machen sie sie stark«, warnte die Fraktionsvorsitzende im Hessischen Landtag. Hessens SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel bezeichnete die deutlichen Stimmengewinne der AfD als sehr bedauerlich. Die Auseinandersetzung mit der Partei werde nun in den nächsten Jahren weitergehen. Hessen CDU-Generalsekretär Manfred Pentz nannte die Zwischenergebnisse »durchwachsen«. Er sehe nirgendwo, dass die Ergebnisse etwas mit der Landespolitik von Schwarz-Grün zu tun hätten.
Die neonazistische NPD erzielte im mittelhessischen Büdingen mehr als 14 Prozent. Nach dem Trendergebnis vom Sonntag legten die Neonazis im Vergleich zu 2011 zwölf Prozentpunkte zu. Büdingen mit seinen 21.000 Einwohnern hat eine der größten Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge in Hessen. Die Rechtsaußen-Partei AfD war hier nicht angetreten. Die Wahl gewannen in der Stadt im Wetteraukreis die Freien Wähler (27,2 Prozent) vor CDU (21,8) und SPD (18,3).
Wie der Landeswahlleiter am frühen Montagmorgen in Wiesbaden bekanntgab, bleibt die CDU mit landesweit 28,2 Prozent stärkste Partei, knapp vor der SPD mit 28,0 Prozent. Drittstärkste Kraft im Land wird die AfD mit 13,2 Prozent. Die Grünen kommen auf 11,6 Prozent. Die Grünen verzeichnen mit einem landesweiten Minus von 6,7 Prozentpunkten den größten Verlust aller Parteien. Die CDU verliert im Vergleich zur letzten Kommunalwahl vor fünf Jahren 5,5 Punkte, die SPD 3,5 Punkte. Dagegen erholte sich die FDP deutlich und bekam landesweit 6,3 Prozent der Stimmen (plus 2,4), die Linkspatei lag bei 3,7 Prozent (plus 1,0). Die Wahlbeteiligung betrug 48,0 Prozent und war damit kaum höher als vor fünf Jahren (47,7 Prozent).
Die Linkspartei konnte in vielen Städten zulegen. In Marburg stand die Partei laut vorliegender Zahlen in Marburg auf etwa 14 Prozent, in Kassel auf rund 10 Prozent, in Offenbach auf 9 Prozent, in Frankfurt am Main auf knapp 8 Prozent und in Wiesbaden auf etwa 6,5 Prozent.
Für das Trendergebnis werden ausschließlich die Stimmzettel ausgezählt, bei denen die Wähler eine Liste angekreuzt haben. Da das Wahlsystem aber auch erlaubt, bis zu drei Stimmen für einen Kandidaten zu vergeben oder listenübergreifend Kandidaten zu wählen, wird es bis zur Ermittlung des endgültigen Ergebnisses voraussichtlich bis Mitte der Woche dauern.
Das starke Abschneiden der AfD und teils auch der NPD wird nach Einschätzung der Politologin Manuela Glaab wegen der zeitlichen Nähe zur Landtagswahl in Rheinland-Pfalz »durchaus einen Effekt« haben. In welche Richtung der wirke, sei aber schwer zu prognostizieren, sagte die Landauer Professorin am Montag der Deutschen Presse-Agentur.
»Einerseits kann dies Sympathisanten der AfD oder anderer rechter Parteien bestärken, ihre Stimme auch bei der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz für diese Parteien abzugeben.« Dies gelte vor allem für die AfD-Anhänger, »weil sichtbar wurde, dass ein Wahlerfolg wahrscheinlich ist«.
Andererseits schreckten die Stimmengewinne der AfD und mehr noch der NPD viele Bürger vermutlich auch auf - und trieben jene an die Wahlurne, »die diese Parteien nicht im rheinland-pfälzischen Landtag sehen wollen oder jedenfalls ein starkes Gegengewicht der etablierten demokratischen Parteien garantieren wollen«. Agenturen/nd
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