Thüringens Verfassungsschutzpräsident will wieder V-Leute

Stephan Kramer: »Wir brauchen diese Informationen aus der rechten Szene« / Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) bremst Behördenchef

  • Lesedauer: 3 Min.
Thüringens Verfassungsschutzchef will nicht auf V-Leute verzichten. Er widerspricht damit einer Entscheidung der rot-rot-grünen Landesregierung aus dem vergangenen Jahr. Vor allem die LINKE reagiert heftig.

Erfurt. Thüringens neuer Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer will in der rechten Szene wieder V-Leute einsetzen. »Wir bauen auch im rechten Bereich unsere V-Leute-Basis wieder auf. Wir brauchen diese Informationen«, sagte Kramer dem Sender MDR Info. »Es ist uns ja nicht verboten, V-Leute einzusetzen, sondern die Landesregierung hat die Bedingungen, unter denen V-Leute eingesetzt werden, verschärft«, fügte er hinzu. Aus der Linkspartei kam scharfe Kritik an den Äußerungen.

Dem setzte Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) am Nachmittag gleich wieder einen Riegel vor. Thüringen bleibe bei der Entscheidung, das bisherige V-Leute-System abzuschaffen und bezahlte Informanten nur in Ausnahmefällen in gewaltbereiten Strukturen einzusetzen, erklärte Poppenhäger am Montag in Erfurt. Für den V-Leute-Einsatz seien seine Zustimmung und die von Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) zwingend erforderlich.

Thüringens rot-rot-grüne Regierung hatte im vergangenen Jahr entschieden, alle V-Leute abzuschalten, auch als Konsequenz aus dem Versagen beim Terrortrio NSU. V-Leute sollen nur noch in Ausnahmefällen eingesetzt werden können, beispielsweise bei begründeter Terrorgefahr.

Der Innenpolitiker der LINKEN, Steffen Dittes, reagierte bereits am Morgen empört auf die Ankündigung des Verfassungsschutzchefs. »Herr Kramer ist nicht in der Position, Vereinbarungen der Koalition aufzukündigen«, erklärte Dittes. Sollte Kramer anderer Meinung sein, sei der Innenminister gefordert, »seine Personalentscheidung zu überdenken und zu korrigieren«.

Thüringen habe unheilvolle Erfahrungen mit bezahlten Spitzeln gemacht, erklärte Dittes. Er verwies darauf, dass ein V-Mann aus der rechten Szene Zahlungen vom Verfassungsschutz für den Aufbau rechter Strukturen genutzt haben solle. Zudem sei das erste NPD-Verbotsverfahren letztlich an V-Leuten aus der NPD-Führungsebene gescheitert.

Kramer präzisierte daraufhin in einer Mitteilung an die Deutsche Presse-Agentur: »Die Gewalttätigkeiten im rechtsextremen Bereich nehmen stetig zu. Auf der Basis der gesetzlichen Regelungen und der Koalitionsvereinbarung versuchen wir auch im rechten Bereich V-Leute wieder aufzubauen, weil wir die Informationen brauchen.«

Zuvor hatte er MDR Info gesagt, wenn es keine anderen Quellen gebe, müsse seine Behörde auf V-Leute zurückgreifen. »Dieses Instrument als solches ist hoch risikobehaftet, und wenn ich andere Möglichkeiten habe, dann nutze ich die viel lieber«, sagte Kramer.

Mit Blick auf die Flüchtlingskrise und das mögliche Einsickern von Terroristen sagte Thüringens Verfassungsschutzchef: »Ich glaube, wir sollten uns von den Vorurteilen verabschieden, dass alle Flüchtlinge, die da sind, Terroristen sind.« Sie seien vor dem Terror geflüchtet. Allerdings gebe es einzelne Terroristen unter den Flüchtlingen. »Dass welche dabei sind, ist unbestritten.«

Der Thüringer Verfassungsschutz versuche, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln Einblicke zu gewinnen. Zusammengearbeitet werde nicht mit Islamisten aus der Salafistenszene. Es gebe jedoch Hinweise aus dem Umfeld. Auch würden sich Flüchtlinge in den Erstaufnahmeeinrichtungen beim Verfassungsschutz melden. »Und darüber sind wir sehr froh«, sagte Kramer. »Weil das zeigt auch, dass viele der Flüchtlinge (...) Vertrauen haben zu den Verfassungsschutzbehörden, auch zu dem Land Deutschland - und eben nicht wollen, dass hier Salafisten und mögliche Terroristen ihr Unwesen treiben.« dpa/nd

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