Eine Hand hackt die andere
Die vierte Staffel der zynischen Polit-Farce »House of Cards« beginnt mit einem Rosenkrieg
»Ich liebe sie - wie Haie das Blut lieben.« So sprach der Raubfisch des US-Politbetriebs Frank Underwood zu Beginn der ersten Staffel der TV-Serie »House Cards« über seine Frau Claire. Doch seit dem ist viel passiert - auch im Privatleben der Underwoods. »House of Cards« - die zynische und mutmaßlich höchst realistische Beschreibung des Washingtoner Machtmosaiks aus Selbsterhaltung, Lobbyismus, aufgegebenen Idealen, Propaganda, Mord und Bestechung geht nun beim Sender »Sky« in die vierte Runde.
Claire und Frank Underwood: Er ist das gewiefte und Konkurrenten entweder charmant um den Finger wickelnde oder wie ein Bulldozer beiseite schiebende Alphatier der Demokratischen Partei. Sie ist die eiskalte, mindestens ebenso skrupellose und sogar noch berechnendere und prinzipienlosere Edel-Bitch aus dem Geldadel. Gemeinsam sind sie einen weiten Weg gegangen, haben in bedingungsloser Loyalität die Gegner des jeweils anderen weggebissen. Ein Hyänen-Paar, das auf dem Weg an die Spitze die Leichen der erlegten Widersacher stets gemeinsam verspeiste, bevor es sich (eine seltene Ausnahme von der sonst gruseligen Selbstdisziplin der beiden) eine Zigarette teilte. Doch nun sind sie (fast) ganz oben: Frank (Kevin Spacey) hat sich vom Mehrheitsbeschaffer im Kongress zum Interims-Präsidenten hochintrigiert - wodurch Claire (Robin Wright) zur First Lady wurde, wofür sie jedoch eigene Ambitionen zügeln musste. Das nagt an ihr, und mitten in den Vorwahlen zum Präsidentschaftskandidaten der Demokraten fällt sie ihrem Mann öffentlich in den Rücken - oder versucht es zumindest. Denn wenneiner stets seinen Rücken absichert, dann Frank.
Und so startet »House of Cards« ähnlich wie die bisherigen Staffeln: Da Franks aufhaltsamer Aufstieg von Verbrechen und Verschwörungen gesäumt ist, gilt es für ihn und sein Team aus karrieregeilen Feingeistern und grob gestrickten Schuften immer wieder, Mitwisser und Ausreißer einzufangen und sie (notfalls für immer) zum Schweigen zu bringen. Das bekamen schon Journalisten, für Erpressungen instrumentalisierte Prostituierte oder taktisch vorübergehend eingespannte Nachwuchspolitiker zu spüren, die es gewagt hatten, ihr Insiderwissen als Drohung gegen Frank Underwood zu nutzen. Doch der neue Feind ist anders. Es ist seine Frau. Und Frank mag zwar ein grausamer Raubfisch sein, doch Claire liebt er tatsächlich wie Haie das Blut. Der Zuschauer (so wie Claire) weiß aber auch genau, dass ab einem gewissen Punkt der Illoyalität Frank auch sie über die Klinge springen lassen würde. Ab jetzt hackt also die eine Hand auf die andere ein.
Was lässt er ihr durchgehen, wann beißt er auch bei seiner Frau kalt und machtbewusst zu? Oder hat Frank in der blonden Karriere-Hexe Claire etwa seinen Meister gefunden? Diese Frage facht die Spannung zu Beginn der vierten Staffel gehörig an und installiert eine neue, private Ebene in der so edlen wie abgründigen Polit-Serie. Eine Ebene, auf der Robin Wright und Kevin Spacey ihrem schillernden, superprofessionellen Spiel neue, menschlich tiefere Facetten beigeben und auf der sie sich mit ebenso schlafwandlerischer Sicherheit bewegen wie auf den gewienerten Korridoren der Macht. Und auch ästhetisch zieht zu Beginn der vierten Staffel ein neuer Ton ein. So werden etwa die der zerrütteten Ehe entspringenden Gewaltfantasien zwischen den Underwoods in einer an David Lynch erinnernden, verstörend-brutalen Albtraumsequenz ausgelebt.
Doch keine Sorge: »House of Cards« verkommt nicht zur Familien-Soap, auch die großen politischen Sauereien werden weiterhin hinter den Kulissen verhandelt und das nie stockende Washingtoner Gekungel um Posten, Wahlkreise und Budgets erreicht mit Frank nun auch die präsidiale Ebene. Und noch immer durchbricht Spacey als Frank Underwood die »vierte Wand«, wendet sich also direkt an die Zuschauer und macht sie so zu seinen Vertrauten, Mitverschwörern, ja zu seinen heimlichen Kumpels.
Aktueller könnte eine TV-Serie kaum sein - gehen doch die Underwoods parallel zu Hillary Clinton, Bernie Sanders und Donald Trump in die Vorwahlen. Wurde die Serie von einigen Kritikern noch kürzlich (zu Unrecht) als allzu zynisch bezeichnet, würden sich die gleichen Journalisten nun wohl allzu gerne hinter einem moralisch abgewirtschafteten Intriganten wie Underwood scharen - wenn sie damit dem Wahnsinn eines Donald Trump entgegenwirken könnten. Die Rolle der (durch ihre Handlungen als Außenministerin) moralisch abgewirtschafteten Intrigantin kommt in der Realität nun Hillary Clinton zu. Im Vergleich zu Trump wird sie trotz ihrer ganz offenen Kriegstreiberei und ihrer sehr engen Bindung an die Finanzwirtschaft als »liberale« Hoffnungsträgerin vermarktet. Vielleicht steht Claire Underwood (als Hillary-Verschnitt) jetzt auch darum so im Fokus der Serie: Um Clintons durchschaubare, aber dennoch erfolgsversprechende Masche zu entzaubern. Ein (für US-Verhältnisse) tatsächlich »liberaler« Politiker wie Sanders würde in »House of Cards« übrigens niemals Präsidentschaftskandidat - so viel Realismus muss sein.
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