Verfassungsrichter grübeln über Atomausstieg
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks will sich nicht auf Deals mit AKW-Betreibern einlassen
Atomkraftgegner zog es am Dienstag nach Karlsruhe. Sie brachten sich mit ihren Schildern und Transparenten vor dem Bundesverfassungsgericht in Stellung, schließlich begann drinnen die Verhandlung über die Klage der AKW-Betreiber gegen den 2011 vom Bundestag beschlossenen Atomausstieg. Die Stromkonzerne Eon, RWE und Vattenfall sehen in dem Ausstieg eine Enteignung. Ein Urteil dürfte erst in einigen Monaten fallen - und das dürfte wohl weniger im Sinne der Kläger ausfallen.
Ein Blick zurück: Am 11. März 2011 ereignete sich die Atomkatastrophe von Fukushima. Drei Tage später gab Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekannt, dass alle 17 deutschen Kernkraftwerke für drei Monate einer Sicherheitsprüfung unterzogen werden sollen. Ende Juni segnete dann der Bundestag mit überwältigender Mehrheit das neue Atomausstiegsgesetz ab. Dies sah vor, die sieben ältesten Kernkraftwerke und das AKW Krümmel sofort abzuschalten. Die übrigen acht Meiler erhielten eine Restlaufzeit bis maximal 2022.
»Ich bin heute hier im Interesse von Tausenden von Kleinanlegern, die ihre Rente in Eon-Aktien angelegt haben«, gab sich Eon-Chef Johannes Teyssen vor Beginn der zweitägigen Verhandlung als Opfer. Es gehe allein um einen »fairen und gerechten Ausstieg aus der Kernenergie«, um eine »Entschädigung des Vermögens, was man uns aus politischen Gründen entzogen hat«. Inoffiziell ist von Forderungen von insgesamt bis zu 22 Milliarden Euro die Rede.
Zumindest aber der Grünen-Politiker Jürgen Trittin schätzt die »Werthaltigkeit der Klage« als »außerordentlich bescheiden« ein. »Mir scheint es eher so zu sein, dass die Vorstände der Unternehmen hier etwas unternehmen mussten, um ihren Aktionären zu zeigen: Wir haben das nicht wehrlos über uns ergehen lassen«, meinte der Vorsitzende der Regierungskommission für den Atomausstieg im Interview mit Phoenix. Auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks will hart bleiben und schließt »Deals« mit den Konzernen bisher aus. »Es besteht inzwischen ein breiter gesellschaftlicher Konsens, dass der Energiebedarf zukünftig so weit wie möglich aus erneuerbaren Energien gedeckt werden muss«, so die SPD-Frau.
»Vor fünf Jahren hat die Katastrophe von Fukushima erschreckend deutlich gemacht, dass die Atomkraft eine Risikotechnologie ist, die im schweren Störfall unbeherrschbar werden kann«, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Umweltorganisation BUND, Klaus Brunsmeier. Der Schutz der Menschen müsse Vorrang vor den Gewinninteressen von Unternehmen haben.
Deswegen geht es den Anti-AKW-Aktivisten nicht schnell genug mit dem Atomausstieg. Die Regierung »sollte die weitere Produktion von Atommüll stoppen und das Atomrisiko beenden, das heißt allen noch laufenden Atomkraftwerken die Betriebsgenehmigung endlich entziehen - bevor der Schaden noch größer wird«, forderte etwa Armin Simon von der Organisation »ausgestrahlt«. Kommentar Seite 4
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