Sparkassen sind keine Großbanken
Mittelständische Banken beklagen die Überregulierung in der EU
Zwei große Themen bewegen den Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon: die Bankenregulierung durch Brüssel und die Minuszinspolitik der Europäischen Zentralbank. Erst in der vergangenen Woche hatte EZB-Chef Mario Draghi den Strafzins für Einlagen erhöht. Kreditinstitute in der Eurozone sind verpflichtet, überschüssige Liquidität, also Gelder, die sie nicht für Kunden brauchen, auf Konten bei der EZB zu parken. Dafür wird nun ein Strafzins von 0,4 Prozent fällig. Die Idee dahinter: Banken sollen ihr Geld aktiv nutzen, um Kredite an Unternehmen zu vergeben. An eine solche segensreiche Wirkung glaubt Fahrenschon jedoch nicht: »Dadurch wird die Kreditvergabe nicht weiter angeregt.« Der Strafzins sei dennoch »der eigentlich entscheidende Punkt«, weil dadurch Sparer, die für ihr Erspartes kaum noch Zinsen erhalten, weiter bestraft würden.
Von der Minuszinspolitik der EZB getroffen werden vor allem Institute, die im Vergleich zum Kreditvolumen relativ hohe Einlagen haben. Und das sind viele Sparkassen und auch genossenschaftliche Volks- und Raiffeisenbanken.
Ganz so schlimm, wie es die Spitze des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) am Dienstag in Frankfurt auf ihrer Bilanzpressekonferenz in den Räumen der Deka-Bank darstellte, scheint die Lage der öffentlichen Banken aber nicht zu sein. So erzielten die Sparkassen 2015 Rekordwerte bei Wohnungsbau- und Unternehmenskrediten: Die Darlehen an Unternehmen und Selbstständige nahmen sogar um rund 17 Prozent zu.
CSU-Politiker Fahrenschon fordert ein Umdenken in der Europäischen Union. Die Bankenregulierung, mit der die EU auf die Finanzkrise seit 2007 reagiert, geht Sparkassen und Genossenschaftsbanken zu weit. Einheitliche Standards, die für Großbanken passend seien, ließen sich nur unzureichend auf die Anforderungen der lokalen und regionalen Hausbanken anpassen. Im Ergebnis entstehe oft ein unverhältnismäßig hoher Aufwand bei den mittelständischen Instituten. Fahrenschon lobt dagegen den US-amerikanischen Ansatz, »die wenigen großen, international tätigen Bankkonzerne anders zu regulieren als die vielen tausend Community Banks und Kreditgenossenschaften«, die den Sparkassen ähneln. Das sei »vorbildlich« für die Europäische Union.
Überregulierung beklagen auch die 1023 Volks- und Raiffeisenbanken. Sie, die oft noch kleiner als Sparkassen sind, versorgen vor allem das Land mit Finanzdienstleistungen. Die »sozial-ökologische« Ethikbank e.G. aus Thüringen will am Mittwoch sogar gegen die »überbordende Kontrollbürokratie« streiken. »Die Kontrollauflagen der EU lassen sich von Volksbanken, sowie im Übrigen auch von Sparkassen, kaum noch schultern, da sie für Großbanken gemacht sind«, erklärte Klaus Euler, Vorstandsvorsitzende der EthikBank. »Mittelständische Banken werden durch diese Vorgehensweise an den Rand der Belastungsgrenze getrieben.«
Unterstützung erhält Sparkassenpräsident Fahrenschon auch von ver.di. In einer Stellungnahme zum im Dezember von der EU veröffentlichten »Grünbuch Privatkundengeschäft« macht sich die Dienstleistungsgewerkschaft für regionale Banken stark. Sie seien »es wert geschützt zu werden«, heißt es in der Stellungnahme, die »nd« vorliegt. Stattdessen verschlechterten die Regulierungsbemühungen der EU die Spielregeln für Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Profiteure wären landesweit oder international operierende Großbanken.
Die 409 deutschen Sparkassen konnten den um 154 Millionen Euro gesunkenen Zinsüberschuss durch die um 336 Millionen Euro gestiegenen Provisionsüberschüsse »mehr als kompensieren«. Das Vorsteuerergebnis beläuft sich auf 4,6 Milliarden Euro. Davon wurden 2,6 Milliarden Euro an Ertragsteuern gezahlt. »Sparkassen bleiben damit einer der größten und verlässlichsten Steuerzahler in Deutschland«, so Fahrenschon. Auch die Verbundpartner der Sparkassen können auf ein insgesamt gutes Geschäftsjahr zurückblicken. Dazu zählen Landesbanken, das Spitzeninstitut Deka-Bank, Landesbausparkassen und öffentliche Versicherer.
Zu den Gewinnbringern zählen Gebühren für Girokonten und den Kauf von Wertpapieren, die Kunden zahlen. Aber auch Provisionen für den Abschluss von Altersvorsorgeverträgen, den Versicherer an Sparkassen überweisen. Die Zinspolitik der EZB wird die Sparkassen nach Einschätzung von Fahrenschon in den nächsten Jahren aber in höchstem Maße fordern. Seine »unternehmerische Antwort« besteht in der Anhebung von Gebühren und Kosteneinsparungen beim Personal. Bereits im vergangenen Jahr wurden 6427 freigewordene Stellen nicht wieder besetzt.
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