Erdogans Gezeter

Robert D. Meyer über das Verhalten der Bundesregierung zu den Zensurforderungen aus der Türkei

  • Lesedauer: 2 Min.

Was haben Pegida, AfD und der türkische Staatspräsident Erdogan gemeinsam? Das Verhältnis der Drei zur Pressefreiheit ließe sich, knapp zusammengefasst, als gestört bezeichnen. Weite Teile der selbst ernannten Retter des Abendlandes glauben, die Bundesregierung übe die Kontrolle über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus. Morgenland-Vertreter Erdogan unterlag diese Woche derselben Annahme, als er die Zensur eines Satirebeitrags der NDR-Sendung »Extra 3« forderte. Sowohl die türkische Regierung als auch rechte Kreise hierzulande verstehen den Unterschied zwischen einem von der Regierung kontrollierten Staatsfunk und den unabhängigen Öffentlich-Rechtlichen nicht.

Immerhin, die Bundesregierung zeigte sich wissender und ließ über ihre Vizesprecherin Christiane Wirtz mitteilen, die offizielle Haltung Berlins zur Bedeutung der Presse- und Meinungsfreiheit sei »auf diplomatischem Wege« deutlich gemacht worden. Gemeint war die Einbestellung des deutschen Botschafters Martin Erdmann in das türkische Außenministerium. Eine Initiative deutscher Vertreter zu Gesprächen gab es jedoch nicht.

Medienvertreter streiten nun darüber, ob diese zurückhaltende Form der Kritik ausreiche. »Liebe Bundesregierung, ja, dass die Presse- und Meinungsfreiheit ein hohes Gut ist, hätten wir auch ohne die Stellungnahme des Regierungssprechers geahnt. Steht schließlich so im Grundgesetz«, schreibt Monitor-Chefredakteur Georg Restle auf Facebook. Gäbe es vergleichbare Politmagazine in der Türkei, die Sendung hätte längst das gleiche Schicksal ereilt wie die oppositionelle Tageszeitung »Zaman«, die seit Anfang März unter staatlicher Zwangsverwaltung steht. Eine Reaktion darauf blieb von Berliner Seite aus, weshalb Spiegel Online höhnisch von der »Operation Wegducken« schrieb. Schließlich galt es, einen Deal über die weitere Abschottung Europas vor Flüchtlingen mit Hilfe Ankaras zu besiegeln. Da spielen Verstöße eines angehenden EU-Beitrittskandidaten gegen die Europäische Menschenrechtskonvention nur eine untergeordnete Rolle.

Ein Zeichen der Stärke nannte hingegen Lenz Jacobsen die Zurückhaltung der Bundesregierung im Fall »Extra 3«: Die angegriffenen Journalisten hätten keine wuchtigere Verteidigung nötig, da die Kollegen für Erdogan und seine Regierung unbelangbar seien. »Angesichts dieser komfortablen Situation würde jede pathetisch-staatsmännische Verteidigungsrede unverhältnismäßig wirken und Erdogans Gezeter nur aufwerten«, so Jacobsen auf Zeit Online. Zunehmend unter Repressionen leidende türkische Medien und die Kurden sollten dagegen deutlich stärker unterstützt werden.

Frank Capellan hält dem im Deutschlandradio entgegen, die Bundesregierung hätte auch in der Vergangenheit zu oft geschwiegen. Wenn der »Autokrat vom Bosporus zu immer abstruseren Attacken ansetzt, kann das nicht oft genug gebrandmarkt werden«.

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