Jazzrhythmus bespielt Plakatfläche
Das Bröhan-Museum zeigt die Kunst des Schweizer Plakatdesigners Niklaus Troxler
Berlin ist für mancherlei Kunstaktivitäten der Schnittpunkt von Geraden und Ungeraden. Die Aktiven aus vieler Herren und Damen Länder sammeln und versammeln sich hier. Da ist es gut, immer mal wieder die traditionelle Spur aus der schweizerischen Kulturlandschaft in die hiesige Kunstszene bespielt zu sehen. Zumal unter Kennern ist der hier zur Rede stehende Meister der grafischen Künste keineswegs unbekannt: Niklaus Troxler. Jahrgang 1947. Einer, der stets denkbar bodenständig blieb, und dennoch expansiv wirkte. Nach Studium in Luzern, Praxis als Art Direktor in Paris und Lehrtätigkeit an der Stuttgarter Kunstakademie kehrte er immer wieder zu seinen Ursprüngen zurück.
Seinem Geburtsort Willisau, gelegen in den Bergen nahe Luzern, blieb er zeitlebens treu. Er machte ihn durch das von ihm dort begründete Jazzfestival weltbekannt. Von 1966 bis 2005 wurden da an die 900 Konzerte veranstaltet. Alle wurden mit Troxler-Plakaten beworben! Nun eröffnet das Berlin Bröhan-Museum die Reihe seiner geplanten Blackbox-Ausstellungen mit diesen. Im obersten Stockwerk prangen rahmenlos im Wechsel zwischen DIN A1 und DIN A3 direkt auf die weiße Wand gepinnt seine Hervorbringungen. Auf die Papierflächen scheinen rhythmisierte Klänge (re)produziert. Synkopen in die Bildsprache des Plakates übersetzt. Gag und Metapher oft nur im Umriss auf das Blatt gebracht.
Der Jazz hat die grafischen Künste ähnlich befruchtet wie der Rock ’n’ Roll. Tony Munzlinger interpretierte einst ebenso kongenial Jazzmusiker wie Heinz Edelmann die Beatles und Sebastian Krüger die Rolling Stones. Dazu kommt, dass der Plakatdesigner Troxler wie ein Jazzmusiker improvisierend auf Stilelemente moderner Kunst anspielt. Expressives da und Surreales dort. Konstruktives und Minimalistisches im Mix dabei.
Leider können nur die Großformate in den beiden kleinen Sälen zur vollen bildmäßigen Wirksamkeit gelangen. Die Kleinformate umspielen weniger gut beleuchtete Wände. Ideale Fernwirkung ist da weniger gewährleistet. Dennoch tun sich verblüffende Nachbarschaften auf - bis hinein in den benachbarten großräumigen Konzertsaal, der das Gefäßdesign der vorletzten Jahrhundertwende beherbergt. In den verglasten Wandeinbauten leuchten Porzellan und Steingut, Silber und Glas aus längst vergangenen Jahrzehnten. Und siehe da: Es ist die Formsprache einer ähnlich modernen Prägung!
Pierre Favres Percussions-Solos oder Cecil Taylors Piano-Eskapaden, Dave Hollands Bass oder Fred Frith als Multisolist - alle fanden sich in grafischen Chiffren wieder. Die Quartett-Formationen von George Coleman und Don Pullen bekamen ihre Markenzeichen. Zum Brasil Jazz von Hermeto Pascoal e Grupo fiel Troxler Folklore ein, und zum Sound der Gitarre Brad Shepiks eine ekstatische Vibration der Buchstaben. Der Funke sprang über auf die Cover von CDs und Kassetten, Videos und DVDs.
So etwas nennt man visuelle Kultur. Wir werden Zeugen einer schöpferischen Potenz, realisiert auf einer Insel der Seligen. Der eigenen Auftraggeber sein zu dürfen, Wunschtraum aller Aktiven. Für die gesellschaftliche Öffentlichkeit beschämend genug - weit und breit war und ist kein kommerzieller Auftrag für Ähnliches erkennbar. Das einst blühende Biotop der Plakatszene ist im alles Musische negierenden Klima der Marktradikalität längst verdorrt. Was gerade in der Schweiz einmal von Namen wie Herbert Leupin und Donald Brun in oft erholsam heiterer Diktion auf den Wänden großer Einkaufscenter oder Rathäuser zelebriert wurde - inzwischen ist es längst mausetot gespart. Sie schafften es einmal bis in die Kasseler Documenta-Ausstellungen. Heute ist solcherart gängiges Qualitätsplakat so gut wie exkommuniziert aus dem Verbund der heiligen Künste.
Kein Wunder, dass der vereinsamte Einzelgänger Troxler spätestens ab Ende der 1990er Jahre den Schulterschluss mit seinen deutschen und österreichischen Berufskollegen suchte. Sie schufen dann gemeinsam die Dreiländerhoheit für den Wettbewerb »100 beste Plakate e.V.« Und Niklaus Troxler wurde für die Zeit bis 2007 zum allerseits verehrten Präsidenten gewählt. Im Zusammenhang damit hat er dann gleich im Jahr 2000 mit seiner Frau Ems Berlin als zweiten Wohnsitz gewählt. Das urbane Flair der Metropole als Kontrast zur heimatlichen Bergwelt hat sie wohl gereizt. »Es gefällt mir, wenn ich da arbeiten kann, wo ich zu Hause bin«, diesen seinen Spruch zitiert das Museum groß auf Seite 3 des 36-seitigen biografischen Bildheftes. Schüchterne Frage: Fühlt sich Troxler hier so zu Hause, dass es inzwischen Berlin-Plakate von ihm gibt?
Das immerhin städtische Bröhan-Museum kann man nur ermuntern, diese Flanke seiner Sammlungstätigkeit tatkräftig weiter zu pflegen. Da gibt es noch viel zu entdecken. Packen Sie es an!
All that jazz - Plakatkunst von Niklaus Troxler - Blackbox 1, Bröhan-Museum Schloßstraße 1a, Charlottenburg, bis 17.7., Di-So 10-18
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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