Innerlibysche Intervention

Regierung der nationalen Einheit - von der Bevölkerung gewünscht, aber noch lange keine Realität

  • Mirco Keilberth, Tripolis
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Europäische Union hat wegen der Behinderung des Friedensprozesses in Libyen Sanktionen gegen drei Politiker beschlossen. Diese zeigen sich davon wenig beeindruckt.

Der Präsident des vom Westen unterstützten libyschen Parlaments in Tobruk gibt sich von Sanktionen der EU unbeeindruckt. Diese waren verhängt worden, weil Agila Saleh die neue Einheitsregierung blockiert. »Drohungen und Sanktionen schüchtern uns nicht ein«, sagte Saleh am Samstag in einer TV-Ansprache.

Nach dem überraschenden Eintreffen von Libyens Einheitsregierung in Tripolis, hat sich die Lage vorerst beruhigt. Nach den Drohungen religiöser Extremisten und mindestens einem Toten bei Gefechten am Mittwoch rechneten viele Hauptstädter mit einem Blutbad zwischen den Anhängern des Chefs der Tripolis-Regierung, Chalifa Ghweil, und dem Ministerpräsidenten des anderen Kabinetts in Tobruk, Fajes al-Sarradsch.

Der ehemalige Geschäftsmann aus Tripolis war am Morgen überraschend von Offizieren der Marineakademie im Hafen von Tripolis empfangen worden. Nachdem die Ghweil-Regierung den Luftraum hatte sperren lassen, war das vom Westen unterstützte Kabinett heimlich mit einem Boot in den Hafen eingelaufen. Zwar fielen Schüsse, aber es waren wohl die massiven Drohungen aus Westeuropa mit der Intervention einer internationalen Militärallianz und die Unterstützung von Milizen aus der Handelsstadt Misrata, die die Ghweil-Leute, gemeinhin als Islamisten bezeichnet, vor einem Angriff zurückschrecken ließen.

Sarradschs Geleitschutz aus Misrata, hatte zuvor das Gebäude des TV Senders »Al Nabba« gestürmt, in dem immer wieder gegen die UN und die Regierung in Bengasi Stimmung gemacht wurde. Sarradsch sei eine Marionette des Westens und gegen die Scharia, hatte der oberste Mufti, Sadiq Ghariani, auf »Al Nabba« wutentbrannt verkündet. Bevor der Bildschirm schwarz wurde, rief er noch zum Dschihad gegen die »Ungläubigen« auf.

Auch die nach Ostlibyen geflohene Regierung von Premier Abdullah al-Thinni lehnt das Kabinett von Sarradsch ab, da das vom Westen anerkannte Parlament noch nicht die nötige Zustimmung gegeben hat. »Libyen hat nun drei Regierungen«, beschreibt der Journalist Ala Drasy die Lage. »Es ist gut dass der Machtkampf zwischen Ost und West von einer neutralen Partei beendet wird, die große Unterstützung in der Bevölkerung hat, doch gegen die religiösen Milizen ist sie chancenlos.«

Diese machen keine Anstalten, ihren Machtanspruch aufzugeben. Sie setzen auf die weit verbreitete Wut in den Städten, die vor fünf Jahren für Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi gekämpft hatten. Beni Walid, Sebha oder Sirte wurden von den Misrata-Milizen nach dem Krieg angegriffen. Durch das so genannte Isolationsgesetz wurden alle, die seit 1969 höhere Positionen innehatten, aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen. Ähnlich wie in Irak Mitglieder der Staatspartei Baath, die nach dem Sturz von Präsident Saddam Hussein 2003 verboten worden war, sahen viele Gaddafi-Anhänger aus Sirte deshalb die einzige Zufluchtsmöglichkeit bei den sogenannten Islamisten. Die mit Artillerie und Panzern ausgerüsteten Milizen in Misrata mobilisieren nun ihre Kämpfer, um Sarradsch in Tripolis zu schützen. Mit Feiern wurde jetzt das Ende des Bürgerkrieges begangen. Jedenfalls hofft man, dass das Schlimmste vorbei sind. »Die vielen Menschen auf den Straßen fordern aber auch die Einheit der Stadt ein«, so der Geschäftsmann Faisal Swehli. Denn mit Salah Badi ist einer der gefährlichsten Gegner der Einheitsregierung zurück in Misrata.

Die erste öffentliche Rede von Sarradsch machte daher nur wenigen Tripolitanern Mut, die unter dem Verfall des Dinars und Versorgungsengpässen leiden: »Es ist Zeit für uns Libyer, zum Wohle des Landes zusammen zu arbeiten.« UN-Vermittler Martin Kobler aus Deutschland versuchte derweil in Istanbul mit Abdulhakim Belhadsch denjenigen von der Sarradsch-Regierung zur Zusammenarbeit zu bewegen, der als wahrer Herrscher von Tripolis gilt. Der Mann steuert ein Netzwerk von Milizen, das angeblich von Istanbul bis Tunis reicht. Ihm gehört auch Al Nabba TV, dessen Besetzer nur noch ein Logo ausstrahlen, unterlegt mit folgendem Satz: »Die Bürger von Tripolis haben diesen Propagandakanal geschlossen und werden jeden zur Rechenschaft ziehen, der hier gearbeitet hat.«

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