Hürdenlauf zum Arbeitsplatz
Das »Netzwerk Beschäftigung für Geflüchtete« soll deren Integration vorantreiben
Christiane Menz ist Optimistin - zumindest in Sachen Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt. Mit ihrem achtköpfigen Team soll sie Betriebe und Arbeitgeber informieren, beraten, motivieren und vernetzen. Das Netzwerk »Beschäftigung für Geflüchtete« wurde im März vom Bundeswirtschaftsministerium und dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) gestartet. »Die Resonanz war riesig«, so Menz. Aus 340 Mitgliedsbetrieben wurden rasch 520 - vom Mittelständler, der erstmals Migranten einstellen will, bis zu Konzernen wie der Post oder Bosch mit diesbezüglich viel Erfahrung.
Aber Menz weiß auch, dass der Weg steinig ist: Das Aufenthaltsrecht ist kompliziert, die Kompetenzverteilung zwischen Jobcenter, Migrationsamt und Arbeitsagentur unübersichtlich. Auch in Belegschaften rege sich zuweilen Widerstand. Menz rät den Betrieben, sich lokal zusammenzutun. Ein Beispiel sei das Rhein-Main-Gebiet. Dort sitzen IHK, Arbeitgeber, Arbeitsagentur, Gewerkschaften und Firmen an einem Tisch. Gemeinsam wird etwa versucht, die Wartezeit auf eine Arbeitserlaubnis effektiv für Deutschkurse oder Berufsvorbereitung zu nutzen.
Flüchtlinge müssten ihre Integrationsbereitschaft zeigen, erklärt die IHK Frankfurt: »Für eine erfolgreiche Integration ist Verständnis für die Arbeitswelt hierzulande wichtig.« Ungekehrt brauchten Betriebe Informationen zu rechtlichen Rahmenbedingungen, Ansprechpartnern oder dem kulturellen oder religiösen Hintergrund der Flüchtlinge. Die IHKen können da Lotsen sein - wenn nötig mit Hilfe von Sozialpädagogen.
Auch die Gewerkschaften haben zu tun. Immerhin jedes fünfte Mitglied liebäugelt in Umfragen mit teils rechtem Gedankengut. Auf Betriebsversammlungen, durch Vereinbarungen und persönliche Ansprache will etwa der Betriebsrat des BMW-Werkes Leipzig Aufklärung leisten. Doch letztlich verlieren sich Vorurteile nur durch persönlichen Kontakt. Deshalb versuchen Gewerkschafter, auf Unternehmensebene Einfluss auf die Einstellungspraxis zu nehmen. So sorgte bei der Deutschen Post in Nürnberg der Betriebsrat für die Einstellung von vier Flüchtlingen. Wichtig ist auch, dass Betriebe ehrenamtliches Engagement unterstützen. So unterstützt der Touristiker TUI die Schulung von Mitarbeitern zu ehrenamtlichen Deutschlehrern. Wer einmal die Woche einen zweistündigen Sprachkurs gibt, bekommt die Hälfte der Zeit als Arbeitszeit bezahlt. Schon 40 Mitarbeiter haben sich beteiligt.
IG-Metall-Betriebsräte sowie Jugend- und Auszubildendenvertretungen bei Ford Köln, BMW Dingolfing oder der Mansfelder Kupfer und Messing GmbH in Hettstedt suchen Unterkünfte, sammeln Spenden, bieten Sprachunterricht und organisieren Arbeitsmöglichkeiten.
Auf der Gründungsversammlung des Netzwerkes verwies DIHK-Präsident Erich Schweitzer auf die Chancen erfolgreicher Integration - und auf Schwierigkeiten: Es handle sich um eine »Herausforderung, für die es weder Blaupausen noch Patentrezepte gibt«. Das Netzwerk biete aber eine Plattform, auf Unternehmen »voneinander lernen können und zu alltäglichen Fragen wichtige Unterstützung erhalten«.
Im Internet gibt es mehrere Informationsquellen für Arbeitgeber und Flüchtlinge, etwa das neue Portal worker.de. Es ist die erste Ausbildungs- und Arbeitsplatzbörse, die sich speziell an Geflüchtete richtet. Die häufigste Frage, die an das Portal gestellt wird: »Dürfen Asylbewerber überhaupt arbeiten?«
Oft bremsen bürokratische und rechtliche Hürden eine erfolgreiche Vermittlung. Der Migrationsforscher Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) betont, »um Beschäftigung zu finden, sollte man den Migranten die Möglichkeit eines Spurwechsels eröffnen und eine befristete Aufenthaltserlaubnis ausstellen, unabhängig vom Ausgang des Asylverfahrens«.
Bei Betriebsräten herrscht offenbar oft noch Angst vor Niedriglohnkonkurrenz durch Flüchtlinge und eine Verdrängung von Stammbelegschaften. Brücker sieht in dieser Richtung dagegen kaum Gefahren: Tariflöhne kämen nur unter Druck, wenn Flüchtlinge vom ersten Arbeitsmarkt ferngehalten und in irreguläre Beschäftigung gedrängt würden.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.