Öffentlicher Dienst: »Schwieriges Ergebnis in schwierigen Zeiten«

Gewerkschaften stimmen nach monatelangen Tarifverhandlungen zähneknirschend für Einigung

  • Lesedauer: 4 Min.
Demonstranten während der Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst
Demonstranten während der Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst

Seit Januar stritten Arbeitgeber und Gewerkschaften über die künftigen Einkommen und Arbeitszeiten im öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen. Nun steht ein Tarifabschluss. Gewerkschaften nennen das Verhandlungsergebnis »ein schwieriges Ergebnis in schwierigen Zeiten«.

Welche Berufsgruppen betrifft das Ergebnis?

Der Tarifabschluss betrifft mehr als 2,5 Millionen Beschäftigte der Kommunen und des Bundes. Das sind Angestellte in den Verwaltungen, aber auch in Kitas und Schulen, im Nahverkehr, bei den Abfallbetrieben, in Klärwerken, Bädern, Pflegeeinrichtungen oder an Flughäfen. Üblicherweise wird der Abschluss später auf Beamt*innen übertragen, das soll dieses Mal erst die neue Bundesregierung entscheiden. Nicht betroffen sind Beschäftigte der Länder, also zum Beispiel Lehrer*innen, für die im Herbst separat verhandelt wird.

Wie viel Geld gibt es?

Die Beschäftigten sollen in zwei Stufen mehr Geld bekommen: Ab 1. April 2025 drei Prozent, mindestens aber 110 Euro mehr im Monat. Stufe zwei folgt ab 1. Mai 2026 in Höhe von 2,8 Prozent. Ab 1. Juli 2025 sollen außerdem Zulagen für Schichtarbeit von 40 auf 100 Euro und für Wechselschichtarbeit von 105 auf 200 Euro angehoben werden. Zudem soll das 13. Monatsgehalt ab 2026 steigen. Verdi-Chef Frank Werneke rechnete vor, für Erzieher*innen erhöhe sich das Entgelt in der Laufzeit damit um ungefähr 230 Euro, für Müllwerker*innen um 200 Euro.

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Ist das alles?

Nein, zusätzlich soll die Arbeitszeit deutlich flexibler werden. Die Beschäftigten sollen zum Beispiel Teile des erhöhten 13. Monatsgehalts in bis zu drei zusätzliche freie Tage eintauschen können. Das gilt allerdings nicht für kommunale Krankenhäuser, wo die Arbeitgeber nur schlecht Ersatz finden. Ab 2027 gibt es einen zusätzlichen Urlaubstag. Zugleich können die Beschäftigten ab 2026 ihre Wochenarbeitszeit freiwillig und befristet auf bis zu 42 Stunden erhöhen.

Wer hat sich durchgesetzt?

Die Gewerkschaften hätten vor allem beim Thema flexible Arbeitszeit gern noch mehr erreicht und wollen in späteren Tarifrunden nachlegen. Die Berufe müssten attraktiver werden, denn es gebe Hunderttausende unbesetzte Stellen, erklärte Werneke. Außerdem greift die Lohnerhöhung erst ab April und nicht schon im Januar. Dadurch sparen die Arbeitgeber einiges an Geld.

Im Gegenzug mussten Bund und Kommunen akzeptieren, dass die Beschäftigten künftig möglicherweise weniger arbeiten. Das kann in Berufen mit Fachkräftemangel schwierig werden. Zuletzt hakten die Gespräche am Vorschlag, die Arbeitszeit freiwillig auszudehnen. Die Gewerkschaften befürchteten Nachteile bei Neueinstellungen oder befristeten Verträgen, wenn Beschäftigte zu dieser Aufstockung nicht bereit sind. Nun wurde laut Werneke vereinbart: »Niemand kann gedrängt werden, mehr zu arbeiten.« Die Regelung soll nach fünf Jahren überprüft werden.

Wer bezahlt das Paket?

Rund 1,94 Milliarden Euro trägt laut Innenministerium der Bund – gerechnet über die gesamte Laufzeit von 27 Monaten. Das an sich sollte kein großes Problem sein. Dabei ist allerdings noch nicht berücksichtigt, dass das Ergebnis voraussichtlich auf die Beamt*innen übertragen wird – dann dürfte es deutlich teurer werden.

Bei den Kommunen ist das schon kritischer. Karin Welge, Verhandlungsführerin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, nannte Kosten von mehr als zehn Milliarden Euro jährlich. Und einige Kommunen sind so hoch verschuldet, dass sie schon jetzt bei der Sanierung von Schwimmbädern und Schulen sparen müssen. Dazu kommt die maue Wirtschaftslage, die sie Gewerbesteuer-Einnahmen kosten wird.

Ein Ende der Streiks?

Bis Ende März 2027 ist erst einmal Ruhe an der Streikfront. Allerdings gilt das nur für diesen Tarifkonflikt. In Berlin könnten Bus- und U-Bahn-Fahrer bald wieder streiken, da sie nach einem anderen Tarifvertrag bezahlt werden. Ende des Jahres beginnen die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der Länder – und es könnte zu Warnstreiks von Lehrer*innen kommen. dpa/nd

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