Frustriert Chianti kippen

Die 19. Staffel von South Park wird politisch korrekt und es gibt einen großen Erzählbogen

  • Waldemar Kesler
  • Lesedauer: 4 Min.
In der neuen Staffel von South Park wird das Universum dieser famos unkorrekten Zeichentrickserie fundamental erschüttert: Die Political Correctness hält Einzug – natürlich nur, um sich darüber lustig zu machen.

Die 19. Staffel von South Park war eine Premiere. Erstmals spannte sich ein großer Erzählbogen von der ersten bis zur letzten Folge. Ansätze dazu, ein neues Format auszuprobieren, gab es zwar schon in der 18. Staffel, da haben es die beiden kreativen Köpfe Matt Stone und Trey Parker mit der Kontinuität aber noch nicht zu eng gesehen. Die Geschichte, dass sich hinter der neuseeländischen Musikerin Lorde Stand Vater Randy verbirgt, war eigentlich auch nur ein in die Länge gezogener Witz. In der aktuellen Staffel hingegen geschieht etwas, das das ganze South Park-Universum fundamental erschüttert: die Political Correctness hält Einzug.

Ein neuer Schuldirektor namens P. C. Principal übernimmt in der Stadt das Regiment. Zusammen mit seinen Burschenschaftskameraden räumt er mit unsensiblen Kommentaren auf Kosten von Minderheiten auf, indem er der potenziellen Aggression durch tatsächliche zuvorkommt. Aber P. C. Principal ist nicht das einzige »Fortschrittssymptom«, das sich ausbreitet. Die Einwohner können sich in der neuen hipstergerechten Innenstadt gegenseitig demonstrieren, wie progressiv sie sind: Dort schießen Bio-Supermärkte, Eigentumswohnungen und schicke Restaurants aus dem Boden. Die von der Gentrifizierung geschaffene makellose Oberfläche wird allein durch die White Trash-Familie McCormick gestört. Dann merken die ersten, dass der neue Lebensstil mehr kostet, als sie sich leisten können und sie fangen an, um ihre Privilegien zu fürchten. Während das rhetorische Vorurteilsbiotop nahezu ausgetrocknet ist, wuchern im sozio-ökonomischen Biotop die Ressentiments. Derweil entdeckt der aufrechte Schuljournalist Jimmy, dass P. C. Principal nur die Reinkarnation einer Werbeanzeige ist.

Im Kern dieser Staffel steckt die Frustration, die entsteht, wenn Menschen auf Lebensstilpropaganda reinfallen. South Park sieht plötzlich aus, als ob alle Teil einer großen Toskana-Fraktion wären und intellektuell unbelastet die sozialen Schieflagen dieser Welt angehen, während sie an ihrem Chianti Classico nippen. Kenny McCormicks Familie macht deutlich, was die Unterschicht in dieser Welt aus dieser Sicht tatsächlich ist: ein hässlicher Fleck auf der weißen Tischdecke. Natürlich kann niemand anders als der ohnehin permanent angenervte Schullehrer Mr. Garrison in dieser Atmosphäre allgegenwärtiger Frustration politische Karriere machen, indem er seiner Wut freien Lauf lässt. Beim brutalen Showdown mit einer kanadischen Trump-Variante zeigt sich dann, was passiert, wenn Politik Frustration instrumentalisiert: Die Frustration entlädt sich irgendwann und verschont auch diejenigen nicht, die sie genährt haben.

Früher sind die South Park-Folgen häufiger wenige Nächte vor der Ausstrahlung entstanden, wodurch South Park sich seit Jahren viel näher am Zeitgeschehen abarbeitete als die längerfristiger produzierten Shows. Die beiden eklektischen Genies Stone und Parker ließen in den einzelnen Folgen ihren Einfällen freien Lauf, indem sie ihr Figurenuniversum mit einzelnen Zeitphänomenen befruchteten. Da in der vergangenen Staffel größere Themenfelder ineinander spielen, ergibt sich erstmals auch ein größeres Bild: nämlich wie das Vorspiegeln unrealistischer Lebensentwürfe zu Frustration führt und eine Wutkultur entfacht.

Bei der Zahl 19 und dem neuen Erzählformat drängt sich natürlich die Behauptung auf, dass South Park erwachsen geworden ist. Zum Glück ist das nicht geschehen. Der Humor ist nach wie vor dreckig, seine Zuschauer müssen noch immer eine gehörige Portion Irrsinn aushalten, die Einfälle sind so wild, dass einem beim Zusehen Zweifel kommen, ob man wirklich nüchtern ist. Das alles ist aber auch der Grund, warum South Park seine Relevanz nicht verliert und inzwischen absolut konkurrenzlos die beste Comedy-Serie der Fernsehgeschichte ist. Das Prinzip »Provokation um jeden Preis« war höchstens vereinzelt am Anfang reiner Selbstzweck. Matt Stone und Trey Parker waren schon immer die großen Verfechter des common sense, des gesunden Menschenverstands. Immer, wenn wir uns an den Irrsinn der Realität zu gewöhnen drohen, nimmt es eine South Park-Folge damit auf, und schafft es, uns die ganze Dimension an Irrsinn auszuleuchten, mit der wir es zu tun haben.

www.southpark.de/alle-episoden

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