Wasser marsch! Koste es, was es wolle
Touristen feiern das thailändische Neujahrsfest mit viel Wasser, während die Bauern unter der Dürre leiden
Der Songkran ist eines der wichtigsten Feste des thailändischen Buddhismus. Aus kleinen, mit Wasser gefüllten Schalen segnen sich die Thais gegenseitig, wünschen sich Glück und Wohlstand für das neue Jahr. Soweit die Tradition. Songkran in seiner aktuellen Form ist zu einer Wasserschlacht ausgeartet. Immerhin fällt das Fest bei Temperaturen zwischen 35 und 40 Grad Celsius auch in die heißeste Jahreszeit. Aus Schläuchen, Eimern und Wasserpistolen überschütten sich Thais und Touristen tagelang mit Unmengen von Wasser.
Als »Wasteful Water Mass Dispensers« (Verschwenderische Wassermassenverteiler) verspottet Anchalee Kongrut, Kolumnistin der Bangkok Post, die Waffen der neuen Songkran-Unsitte. Millionen Liter werden verschwendet - mit Hilfe von Behörden und Feuerwehr, die das kostbare Nass bereitwillig zur Verfügung stellen.
Zum Songkran 2016 wird Thailand aber von der schlimmsten Dürre seit zwei Jahrzehnten heimgesucht. Die Flusspegel an den Dämmen liegen bei nur 14 Prozent. Reisbauern können ihre Felder nicht mehr bestellen, Wasserkraftwerke nicht mehr mit voller Kraft Strom produzieren. Vielerorts ist bereits Realität, was der 13-Millionen-Einwohner-Stadt Bangkok vielleicht nach Songkran bevorsteht: Wassermangel! Thailands Militärregierung will jedoch nicht als Sonkranpartymuffel dastehen. Zwar mahnt Juntachef und Premier General Prayut Chan-o-cha die Feierwütigen, sich den üblichen Songkran-Exzessen wie Wasserschlachten, Saufgelagen und überbordenden erotischen Lustbarkeiten zu enthalten. Aber der Appell ist halbherzig.
Prayut Chan-o-cha hat zwar die sofortige Festnahme von leicht bekleideten »Frauen und Transsexuellen« angeordnet, die während Songkran in aller Öffentlichkeit mit aufreizenden Bewegungen tanzen. Von einem ähnlich rigiden Befehl für Polizeieinsätze gegen Wasserverschwender ist nichts bekannt. Im Gegenteil. »Ich werde die Wasserschlachten nicht verbieten. Das wäre zu schwierig«, zitierten Medien den mit diktatorischen Vollmachten ausgerüsteten General. Dazu ist der Songkran einfach ein zu gutes Geschäft. Das Fremdenverkehrsamt rechnet mit einer halben Million Touristen, die bei der Songkransause umgerechnet mehr als 370 Millionen Euro auf den Kopf hauen.
Die Stadt Bangkok hat ein paar eher kosmetische Restriktionen verfügt. Die Feierlichkeiten wurden um einen Tag auf drei Tage verkürzt. Nutzen wird es nicht viel, geht Songkran doch nahtlos in das Wochenende über. Wasserschlachten müssen 21 Uhr enden. Wie das durchgesetzt werden soll? Ungewiss. Einen Hoffnungsschimmer bietet lediglich die Bereitschaft einiger Shoppingmallbetreiber, den Feierwütigen kein Wasser zur Verfügung zu stellen.
Für einen Lacher sorgte Wanlop Suwandee, Chefberater des Gouverneurs von Bangkok, mit seinem Vorschlag, statt Wasserpistolen sollte man Wasserzerstäuber benutzen. Die Wasserrambos aber brauchen für ihr Ego jene knallbunten, martialischen Pumpguns, die in den Tagen vor Songkran in Bangkoks Läden und Straßenverkaufsständen reißenden Absatz finden. Mit einem Wassersprüher, wie man ihn zu Hause beim Bügeln benutzt, kann man sich bei den Wasserschlachten auf den Partymeilen nicht blicken lassen. Wer kann, verlässt über Songkran Bangkok. Wer bleiben muss, füllt den Kühlschrank und bleibt zu Hause. Für den Fall, dass man doch mal raus muss, ist ein Vorrat von Plastiktüten zum Schutz von Geldbeutel und Handy vor den Wasserattacken unerlässlich.
Zur Grundausstattung der Songkran-Feiernden gehört neben der Pumpgun ein geblümtes Hemd, Trinkfestigkeit und ein sonniges Gemüt, um zu verdrängen, dass außerhalb der Partyzonen von Pattaya, Bangkok oder Phuket Wasser rationiert ist, Menschen Durst haben und Bauern angesichts ihrer trockenen, rissigen Felder verzweifeln.
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