Von links nach rechts gezappt

Wie AfD und andere neue Rechte mit linken Themen hausieren gehen

  • Roberto J. De Lapuente
  • Lesedauer: 3 Min.
Dass mit vielen Medien in diesem Lande etwas faul ist, war generationenlang eine linke Erkenntnis. Nun firmiert sie entstellt und pervertiert unter dem Label »Lügenpresse« rechts und man tut so, als gäbe es keine Richtungen mehr.

Frau von Storch möchte keine Rundfunkgebühren bezahlen. Weil die öffentlichen Sender ja eh nur lügen und sie das nicht subventionieren möchte. Selbst als Linker könnte man da fast Verständnis haben für sie und ihre Argumente. Seit langem kamen nämlich kritische Stimmen zum öffentlich-rechtlichen Angebot aus der linken Ecke. Man kritisierte die Berichterstattung, die zum Beispiel den Agenda-Kurs nicht kritisch begleitete, sondern zur Doktrin erhob. Und als in der Ukraine West und Ost zündelten, reduzierte man den Weitblick auf Tellerrand, behielt sich eine umfassende Beschreibung der Szenerie vor, um sie durch Eindimensionalität zu ersetzen. Wusste man mal etwas nicht ganz genau, schob man es den Russen unter und verließ die Stellung als Chronist der Ereignisse, um Ereignisse zu machen.

Seit Jahren gab es diese linke Unzufriedenheit mit ARD und ZDF und ihren Nischenangeboten. Es waren Linke von der gleichnamigen Partei, die nicht bei Christiansen und Jauch saßen, über die man aber gebührenfinanziert herzog. Linke kritisierten, wie die oben genannten Talker mit den Clements und Merzens vor einem Millionenpublikum gegen »Sozialschmarotzer und Parasiten« konspirierten. Sie beanstandeten, dass man Hetzer mit Bestseller hofierte, ihren Thesen ein Forum bot. Lange Zeit fühlte man sich erdrückt von der gebührenfinanzierten Information, die wenigen programmatischen Lichtblicke reichten nicht aus, um das generelle Agenda Setting ausgewogen zu prägen. Als Linker wähnte man sich ausgeschlossen, kleingehalten, mundtot gemacht. Und jetzt fühlt sich ausgerechnet eine so, die schon von »linker Republik« faselt, wenn ein CDUler seiner polnischen Haushaltshilfe einen Mindestlohn bezahlt.

Kein Wunder, dass viele zwischen linker und rechter Kritik der herrschenden Situation nicht mehr unterscheiden wollen oder können. Diese neue Rechte nimmt ja gemeinhin viele Positionen linker Kritik in sich auf, um sie zu pervertieren und zu ihren Zwecken zu instrumentalisieren. Man denke nur an die »Sozialstaatlichkeit«, für die sie wirbt, die aber a) eine ethnische Solidargemeinschaft sein und b) weiter im neoliberalen Kanon ablaufen soll. Joe Bageant meldete sich vor einigen Jahren aus dem amerikanischen Klassenkampf. So lautete der Untertitel seines Buches »Auf Rehwildjagd mit Jesus«. Unter anderem beschrieb er, wie die rechte Tea Party dazu überging, linke Demonstrationskultur für sich in Anspruch zu nehmen, bunte Happenings und lustige Stimmung um ihre drakonische Reaktion zu bemänteln. In etwa so ist es auch in Falle der »Medienkritik« von rechter Seite. Man hat das ehemals linke Unwohlsein in der Mediokratie aufgegriffen, es aber natürlich von hinten her aufgezäumt.

Denn dass die eine schlichte »Lügenpresse« sei, war ja nie der linke Ansatz. Der war eher so, dass man eine unstatthafte Verbindung von Wirtschaft und Journalismus anmahnte, Kampagnen wurden als Information verkauft, Werbung als Berichte. Wenn der Sozialabbau journalistisch verbrämt wurde, dann nicht aus pathologischen Lügenantrieb und Pseudologie heraus, sondern weil es eben wirtschaftliche Interessen gab, die eine herabgesetzte Staatsquote für ein profitables Geschäft hielten. Das ist ja bei der rechten Auffassung von Medien, die nicht mehr funktionieren, schon vollkommen anders geartet. Da spricht man von zwanghaftem Lügen, von mythomanischem Antrieb, begründet auf Weltverschwörung, jüdischer Ostküste und angelsächsischem Alliiertendünkel, von der Feigheit der Deutschen vor einem Feind, den sie »die Fremden« nennen. Die Meinungsfreiheit sei deshalb in so großer Gefahr, weil man nicht mal mehr Gesellschaftsgruppen verbal in die Schranken hetzen darf.

Diese »Ähneln« ist ein massives Problem unserer Zeit. Die neuen Rechten treten mit linken Attitüden auf, sind aber linkische Rechte. Sie kopieren die klassenspezifische Gesellschaftskritik der Linken und machen sie zu einem völkischen Süppchen mit Rassemerkmalen. Vom Sozialstaat reden sie ja auch wie Linke, meinen aber was ganz anderes. Und so kommt links und rechts durcheinander und Horst Mahler sitzt im Knast und lacht sich ins Ideologenfäustchen, weil große Gesellschaftsteile einen »mahlerischen« Wandel mitmachen. Mehr zu ihm demnächst.

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