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Analogkäse mit »Sie« oder »Du«?

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 3 Min.

»Was möchtest Du?

«Könnten Sie mir bitte eine Pizza Margherita bringen?»

«Willst Du die Pizza mit Analogkäse oder mit echtem Käse?»

«Bringen Sie mir bitte eine Pizza mit echtem Käse.»

Es half nichts, die Bedienung blieb konsequent beim Du, bis zum Schluss. Aber ich war ja selbst schuld. Was musste ich mich auch in eine Pizzeria am Boxhagener Platz setzen. Wäre ich doch daheim geblieben.

Bislang blieben wir von der Seuche des Veganismus weitestgehend verschont. Mein Stammlokal am Nöldnerplatz führt dann und wann Gerichte in der Speisekarte, die Namen tragen wie «Seitangulasch an Pilzen mit Kartoffelecken» oder «Tofugeschnetzeltes mit Böhmischen Klößen». Da ich aber ein toleranter Mensch bin, ertrug ich tapfer diese Herabwürdigung des Gulasch und des Geschnetzelten zur profanen Sättigungsbeilage. Außerdem, das sei an dieser Stelle versichert, habe ich nichts gegen Veganer; einige meiner besten Freunde sind Veganer.

Hipstes Touristenvolk, das den Veganismus bis in den hintersten Winkel der Welt tragen will, um selbige damit vor der Gattung Mensch zu retten, verirrt sich nur selten in die Gegend zwischen Ostkreuz und Nöldnerplatz, was nicht nur daran liegt, dass man hier Fremde in der Regel tatsächlich noch siezt. Auch die überschaubare Zahl von Lokalen und Geschäften, die für die Internationale der Backpacker- und Rollkoffer-Terroristen geeignet sind, spielt eine entscheidende Rolle. Außer besagtem Lokal am Nöldnerplatz und einem kleinen hipstertauglichen Café findet man hier nur einen vietnamesischen Imbiss und eine Lokalität, deren Publikum überwiegend aus Ostberliner Lichtenbergern besteht. Daneben gibt es noch einen vietnamesischen Spätverkauf, einen türkischen Bäckerladen, ein Blumengeschäft, einen Bioladen (gut, der geht als gentrifizierungsverdächtig gerade noch so durch), eine Galerie (auch die ist schwer gentrifizierungsverdächtig) und einen Eisladen (schwer gentrifizierungsverdächtig).

Veganes Eis führt der Laden noch nicht, aber das kann ja noch werden. Wird es wahrscheinlich auch, denn seit einigen Wochen hängen dort wie in den anderen Lokalitäten im Kiez Zettel aus, die die Eröffnung einer Pizzeria ankündigen. Der erwartete Zuwachs an gentrifizierungsverdächtigen Gewerbetreibenden ist zurzeit das Gesprächsthema im Kiez. Was wird uns erwarten? Eine Trattoria, in der ein Italiener nach Originalrezept seiner sizilianischen Ur-Oma leckere Pizza bäckt? Oder doch nur das, was man aus Gaststätten in Friedrichshain kennt, in denen der marokkanische Hilfskoch Tomatensoße aus dem Tetrapack auf einen ausgerollten Fertigteig schmiert, darauf Kartoffelecken, Seitan und Käse-Imitat verteilt und sein türkischer Chef das dann den die Welt bereisenden Jüngern des Veganismus als «Pizza Vegan» anpreist - selbstverständlich mit einem ranschmeißerischen «Du» in der Anrede?

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