Warnstreiks an Krankenhäusern
Nicht nur Löhne sind beim Arbeitskampf ein Thema, sondern auch Personalschlüssel und Outsourcing
»Aus der Ferne sieht das immer so einfach aus. Aber wir müssen auch jedes mal von neuem überzeugen, um die Leute rauszuholen«, sagt Dana Lützkendorf am Campus Mitte und lacht. Die ver.di-Betriebsgruppenvorsitzende weiß, wovon sie redet. An der Charité wird nicht zum ersten Mal gestreikt. Diesmal geht es um die bundesweite Tarifrunde des Öffentlichen Dienstes. Die Charité-Beschäftigen dürfen sich mit einem Partizipationsstreik beteiligen, weil der Haustarifvertrag des Uniklinikums sich am Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes (TVöD) orientiert.
In den bundesweiten Verhandlungen fordert die Gewerkschaft ver.di unter anderem sechs Prozent mehr Lohn und 100 Euro mehr für Azubis. Das Arbeitgeberangebot vom vergangenen 12. April dieses Jahres wird von vielen Kollegen nur verächtlich das »sogenannte Angebot« genannt. Vorgeschlagen ist darin eine Erhöhung um 0,6 Prozent für 2016 und 1,2 Prozent im Folgejahr. Gerade vor dem Hintergrund der guten Kassenlage ist das aus Gewerkschaftssicht eine Provokation. Das Angebot bedeute sogar »faktisch einen Reallohnverlust für über zwei Millionen Tarifbeschäftigte im Öffentlichen Dienst«, ließ DGB-Bundesvorstandsmitglied Stefan Körzell mitteilen.
Die Gewerkschaften reagieren mit Warnstreiks in ganz Deutschland. In Berlin werden neben Charité und Vivantes diese Woche auch bei der Berliner Stadtreinigung (BSR), den Berliner Wasserbetrieben und den Berliner-Bäder-Betrieben zu Warnstreiks aufgerufen. Deren Ausstand ist für Mittwochvormittag angekündigt. Eine zentrale Kundgebung soll am Dienstagnachmittag vor dem Brandenburger Tor stattfinden.
Am frühen Montagvormittag lässt es ver.di am Campus Mitte und dem Virchow Klinikum locker angehen. Ohnehin werde die Charité diesmal eher moderat mitstreiken, hatten Gewerkschafter bereits in der vergangenen Woche angekündigt. Insgesamt 700 Charité-Beschäftigte werden an beiden Tagen die Arbeit niederlegen, einige Stationen müssen daher schließen. Doch auch das ist am Universitätsklinikum nichts Neues.
Ganz anders bei Vivantes: Dort ist es der erste Warnstreik dieser neuen, konfrontativen Art. In der Vergangenheit wurde von Arbeitnehmerseite viel Rücksicht auf den Klinikablauf genommen, so dass Ausstände oft symbolisch geblieben sind. Diesmal hat ver.di auch bei der städtischen Krankenhausgesellschaft ganze Stationen zur Schließung angemeldet, insgesamt sollten es 19 an vier Standorten werden.
Doch die Vivantes-Geschäftsleitung hat die von ver.di vorgeschlagene Notdienstvereinbarung nicht akzeptiert. Stattdessen wurden weiter Betten belegt und Operationen geplant als herrsche Normalbetrieb. Auch die Charité hat die Notdienstvereinbarung diesmal nicht unterschrieben, habe aber, so Dana Lützkendorf, dennoch planbare OPs verschoben und Stationen geräumt. Im Großen und Ganzen sei dies »konfliktfrei« verlaufen.
Bei Vivantes hingegen hat das Agieren der Geschäftsleitung am Montag einige Kollegen daran gehindert, an den Warnstreiks teilzunehmen. Trotzdem haben sich auch hier nach ver.di-Angaben 400 Beschäftigte beteiligt. Die Stimmung vor dem Klinikum am Friedrichshain istaufgebracht. »Wenn die Betten belegt sind, dann lässt eine Pflegekraft ihre Patienten natürlich nicht im Stich«, sagt eine Krankenschwester. Was für sie am Wichtigsten sei? Mehr Personal, so die prompte Antwort. Dass es in den Tarifverhandlungen weder um mehr Personal geht noch um das andere große Vivantes-Thema, nämlich Outsourcing, stört die Beschäftigten offenbar nicht. Ein Blick auf die Transparente verrät, dass die Warnstreiks genutzt werden, um auch auf diese Themen aufmerksam zu machen. »Stoppt die Tarifflucht bei Vivantes – Tochtergesellschaften zurückführen«, steht auf einem Banner, das von den Therapeuten getragen wird. »Mehr von uns ist besser für alle«, heißt es auf einem anderen.
Die Warnstreiks werden am Dienstag fortgesetzt, am Donnerstag soll die nächste Verhandlungsrunde stattfinden. Bei Vivantes – so der Eindruck – sind sie der Beginn einer längeren Auseinandersetzung, die über die Tarifrunde des Öffentlichen Dienstes hinausgehen wird.
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