Freifunk erobert den Harz
In Sachsen-Anhalt geht es in Sachen kostenloser Internetzugang langsam voran
Magdeburg. Kostenlose Internetzugänge sind in den Städten in Sachsen-Anhalt noch schwer zu finden. Mobiles Internet kostet und ist in ländlichen Regionen noch lange nicht flächendeckend verfügbar. Lokale Freifunk-Initiativen wollen jetzt den Zugang zum Netz erleichtern.
Mittlerweile gibt es deutschlandweit mehr als 280 lokale Initiativen. Eine davon sitzt in Magdeburg. Das Prinzip ist überall das gleiche: Die Freifunk-Router verbinden sich untereinander und bilden so ein dezentrales, lokales Netz in der Stadt. Sein Rückgrat bilden Richtfunkantennen auf möglichst hohen Gebäuden. Router sind Geräte, die zwischen einzelnen Computern oder Smartphones und dem Internet vermitteln.
Manche Freifunker teilen auch kleine Anteile ihres privaten Internetzugangs mit dem lokalen Freifunk-Netz. Setzen sie damit die Sicherheit ihrer Daten aufs Spiel? Nein, sagt der Magdeburger Freifunker Michel Vorsprach: »Auf dem Freifunk-Router wird eine spezielle Software installiert, die Fremden den Zugang zum Heimnetzwerk blockiert.« Je mehr Menschen sich beteiligen, desto flächendeckender wird das Netz. »Freifunk lebt von seinen Mitgliedern«, erklärt Vorsprach.
Der Student sitzt in den Räumlichkeiten des »Netz 39«-Hackerspace in Magdeburg, inmitten von Routern und bunten Kabeln. Die Initiative hat sich in Magdeburg Anfang 2014 gebildet und will auch in der Landeshauptstadt Internet frei zugänglich machen. Mittlerweile sind schon mehr als 230 Freifunk-Router über die Stadt verteilt - unter anderem in Flüchtlingsheimen. Auf einer online verfügbaren Karte sind all diese sogenannten Knotenpunkte verzeichnet.
Aber bisher steht die Stadt einem weiteren Ausbau im Weg. Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper (parteilos) hat erst im Februar einen Antrag des Stadtrates abgelehnt, der der lokalen Freifunk-Initiative Zugang zu kommunalen Dächern für einen weiteren Netzausbau zusichern sollte. »Es gibt in Magdeburg private Anbieter, deren WLAN-Netz für einen bestimmten Zeitraum kostenlos öffentlich nutzbar ist, darunter die Magdeburg-City-Com (MDCC) und Kabel Deutschland«, sagt dazu ein Sprecher der Stadt.
Der Nutzung geht jedoch ein Registrierungs- und Anmeldevorgang voraus und auch der Surf-Spaß ist nur von kurzer Dauer: Bei MDCC ist die Nutzung auf zwei Stunden täglich limitiert, Kabel Deutschland kappt die Verbindung bereits nach 30 Minuten. Die Anfänge des Freifunks liegen in Berlin. Bereits um das Jahr 2000 hatte dort die Freifunk-Community begonnen, ein lokales Netz im Stadtteil Friedrichshain aufzubauen. Seitdem hat sich das Netz in Berlin rasant ausgebreitet. Mehr als 500 Router sind mittlerweile über die Bundeshauptstadt verteilt. Zum Vergleich: Anfang 2015 waren es nur etwa 200.
Rasant ausgebreitet hat sich das Netz auch fernab der Großstadt: im Harz. Dort gibt es schon mehr als 580 Knotenpunkte - Tendenz steigend. Der Freifunk Harz e.V. wurde erst im März 2015 gegründet. »Bis zur Walpurgnisnacht sollen es 666 werden«, scherzt der Vorstandsvorsitzende des Vereins Max Mischorr.
Vor allem Quedlinburg, aber auch Städte wie Ballenstedt und Wernigerode sind wahre Freifunk-Hochburgen. »Die Stadt Ballenstedt hat uns den Aufbau des Netzes dort finanziert«, sagt Mischorr. In Quedlinburg, wo der erste Router aufgebaut wurde, kooperiert der Verein mit den Stadtwerken. Mischorr: »Der Tourismus ist unser Steckenpferd.« Und so ist in großen Teilen der Quedlinburger Innenstadt freies WLAN verfügbar. Zu den Freifunkern gehören dort Einzelhändler, Autowerkstätten, Betreiber von Hotels und Ferienwohnungen, Cafés und Restaurants, Bäckereien und Privatpersonen.
Bisher hat vor allem die unsichere Rechtslage in Deutschland verhindert, dass ein flächendeckendes öffentliches WLAN-Netz entstehen konnte. Wegen der sogenannten Störerhaftung wird der Inhaber des Internetanschlusses zur Rechenschaft gezogen, wenn Dritte über seinen Zugang Rechtswidrigkeiten begehen. Nun besteht jedoch Hoffnung auf Besserung.
Nach Ansicht des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof, Maciej Szpunar, nämlich sollen Betreiber frei zugänglicher WLAN-Hotspots nicht für Urheberrechtsverletzungen eines Nutzers Verantwortung tragen. In einem Gutachten sprach sich Szpunar kürzlich dagegen aus, dass WLAN-Betreiber etwa für illegales Herunterladen von Musik durch Dritte haften müssen.
Bis es so weit ist, umgehen die Freifunker die Störerhaftung durch einen Datenumweg: Die IP-Adressen der Nutzer werden durch eine anonyme Adresse ersetzt. Die Nutzer eines Knotens sind somit nicht identifizierbar - und die Freifunker ihrer Vision einen kleinen Schritt näher. dpa/nd
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