Gegenwind für den Bundestrainer

Die deutschen Schwimmer kämpfen in Berlin um Olympiaplätze in Rio

  • Andreas Morbach
  • Lesedauer: 3 Min.
Henning Lambertz sieht die Beckenschwimmer erst 2020 zurück in der Weltspitze. Manche Heimtrainer wollen ihre jungen Talente aber schneller voranbringen.

Johannes Hintze liebt es luftig - und das lässt Deutschlands aktuell größtes Schwimmtalent die Welt auch wissen. Auf Facebook postet der 16-Jährige gerne mal Fotos, die ihn auf einem Felsen hoch oben in den Bergen, vor den Wolkenkratzern von Doha oder beim gehockten Luftsprung über den Gipfeln der Sierra Nevada zeigen. »Mein Ziel ist es, bei den Olympischen Spielen mal ganz oben zu stehen«, lauten die entsprechenden Zukunftspläne des Teenagers. Am Donnerstag aber ging es 35 Meter über Normalnull erst mal um die Qualifikation für Rio.

Als Vorlaufdritter über 400 Meter Lagen stellte Hintze in 4:17,35 Minuten dabei mal wieder einen Altersklassenrekord auf. Damit lag er einen Platz vor Geburtstagskind Kevin Wedel (22), als Schnellster schwamm der WM-Fünfte Jacob Heidtmann (21) in den Endlauf am Nachmittag. Ein Trio, auf das Henning Lambertz große Hoffnungen setzt - für das Jahr 2020. »Denn was die Spiele in Rio angeht«, sagt der Chefbundestrainer, »da weiß inzwischen jeder, dass wir nicht mit einem ganzen Sack voll Medaillen nach Hause kommen werden.«

Umso wichtiger ist die Vorbereitung des anschließenden Olympiazyklus’. Das Perspektivteam von Lambertz ist der zentrale Baustein auf dem Weg nach Tokio. Durch Sichtungen in ganz Deutschland wurde der nun 16-köpfige Kader gerade wieder aufgefrischt. »Von allen, die eingeladen worden waren, hat nur einer abgesagt. Weil er sich die Doppelbelastung Schule und die doch hohe Lehrgangsaktivität im Perspektivteam nicht zutraut. Alle anderen haben zugesagt - offensichtlich stehen die meisten diesem Team doch positiv gegenüber«, sagt Lambertz.

Gegenwind gab es allerdings auch. Die Spiele 2020 hat der 45-Jährige bei seinem Amtsantritt als finale Messlatte für seine Arbeit platziert - doch nicht all seine Mitarbeiter denken so langfristig wie der Chef. Ausnahmetalent Johannes Hintze etwa hat in seiner noch jungen Karriere bereits knapp 50 Altersklassenrekorde gebrochen, in Lambertz’ Perspektivteam fehlt er trotzdem. Denn seine Heimtrainer Norbert Warnatzsch und Thomas Luckau haben andere Pläne.

Dabei liegen die beiden Parteien prinzipiell nicht so weit auseinander: Warnatzsch und Luckau lassen in hohen Umfängen, viel Grundlagenausdauer, eine gute Allgemeingrundlage und gute Technik trainieren - jene Parameter, die Lambertz auch in seinem Perspektivteam einfordert. »Auseinander geht die Schere im Fall Hintze aber dadurch, dass er jetzt schon ins Höhentrainingslager fahren und künstliche Höhe im Kanal nutzen soll. Damit erschließt er Reserven, die ich gerne erst Richtung 2020 genutzt hätte«, erläutert der Bundestrainer, der betont: »Athleten wie Johannes Hintze sollen 2020 ganz oben stehen. Und da ist mir der langfristige Erfolg immer wichtiger als der kurzfristige.«

Im vergangenen Oktober und jetzt im März war Hintze in Höhentrainingslagern. Das Thema ist einigermaßen heikel - auch, weil Hintze wegen einer Krankheit die WM 2015 verpasste. Bei der Qualifikation für Kasan hatte der Potsdamer über 400 Meter Lagen zuvor eine famose Zeit vorgelegt, war dabei fast so schnell wie der Rekordolympiasieger Michael Phelps im selben Alter. Solche Ergebnisse verleiten schon mal zu übertriebenem Ehrgeiz, Heimtrainer Warnatzsch aber beschwichtigt: »Wir haben nicht nur auf Teufel komm raus auf die deutschen Meisterschaften hin trainiert. Wir bauen Johannes behutsam und strategisch auf.« Hintze selbst sieht die Vergleiche mit Phelps gelassen und sagt: »Ich mach’ einfach mein Ding und bau’ mir da keinen Druck auf.«

Sein Ding will auch Henning Lambertz machen. Das Ticket nach Rio traut er aus seiner Nachwuchsgarde vor allem dem Essener Damian Wierling (20), der Hamburgerin Maxine Wolters (16), Alexander Kunert (20) und Leonie Kullmann (16) aus Berlin sowie der Saarländerin Marlene Hüther (17) zu. Und für aufreibende Fälle wie Johannes Hintze freut er sich auf weitere Debatten: »Es ist meine Aufgabe, die Leute davon zu überzeugen, dass unser Weg richtig ist. Das versuche ich seit drei Jahren - und werde es, wenn man mir die Chance gibt, sicher auch noch einige Jahre weiter versuchen.«

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