Was Kunden gefällt
Äußerungen Schweizer Verleger zur Aufhebung der Trennung zwischen Berichterstattung und Anzeigengeschäft sorgen für Wirbel
Egal ob auf der Journalistenakademie, im Studium oder im Volontariat. Als eines der ersten Dinge wird den angehenden Medienmachern eine der wichtigsten Regeln vermittelt: Deine Berichterstattung soll unabhängig davon sein, was einem potenziellen Anzeigenkunden gefällt oder nicht. Alles andere ist PR. Redaktion und Verlag sind in dieser Frage zwei strikt voneinander getrennte Welten. Nun ist es kein Geheimnis, dass beinahe jede den Berufsethos betreffende Regel gebrochen wird. Das manches Verlagshaus zielgerichtet ein passendes werbliches Umfeld für seine zahlende Kundschaft schafft, ist so eine Tatsache, die häufiger als allgemein angenommen vorkommt, über die bisher aber weder Journalisten noch Verleger offen sprechen.
Der Chefredakteur und gleichzeitige Verleger der »Basler Zeitung«, Markus Somm, beweist diesbezüglich deutlich weniger Hemmungen und forderte Werbekunden in einem Interview dazu auf, »sich missliebige Berichterstattung nicht gefallen zu lassen«, wie Silke Fürst und Mike Meißner in einem Blogbeitrag für das »European Journalism Oberservatory« dokumentieren. Werbende Unternehmen müssten sich nicht »auf der Nase rumtanzen« lassen. Wörtlich sagte der Schweizer Verleger: »Wenn die Migros bei mir ein Inserat macht, dann muss sie sich nicht blöde heruntermachen lassen. Das ist einfach so.« Bei Migros handelt es sich um die größte Supermarktkette in der Schweiz. Dessen Millionenausgaben im Anzeigengeschäft haben für die Lokalpresse einen ähnlich hohen Stellenwert wie hierzulande wöchentliche PR-Maßnahmen von Branchengrößen wie etwa vom Discounter Aldi. Stellte der Einzelhandelsriese seine Werbeschaltungen vorübergehend ein, würde dies manche Regionalzeitung in den Erlösen deutlich zu spüren bekommen. Wie die Marktanalysten von Nielsen Media Research ermittelten, gibt Aldi jährlich mehr als eine Milliarde Euro für Zeitungsanzeigen aus. Die sich abzuleitende Abhängigkeit mancher Verlagshäuser lässt sich erahnen.
Nun blieb die vage Hoffnung, der Angriff Somms auf die Unabhängigkeit der Berichterstattung würde einen Sturm der Entrüstung in der Schweiz auslösen. Doch anstatt Gegenwind bekam er Unterstützung vom wichtigsten Branchenvertreter. Hanspeter Lebrument, Präsident des Verbands Schweizer Medien, erklärte im Interview mit der »Neuen Zürcher Zeitung«, die saubere Trennung zwischen redaktionellen Inhalten und dem Anzeigengeschäft funktioniere heute nicht mehr, Kompromisse seien eben notwendig geworden. Lebrument handhabe dies bei seiner eigenen Zeitung, der »Südostschweiz«, ebenfalls so. Großkunden würden durch eine kritische Berichterstattung jedenfalls nicht verschreckt. Kritik kam nur von jenen Kollegen, die ohnehin kaum vom Anzeigengeschäft profitieren. Kaspar Surber, Redakteur bei der schweizerischen linken »WOZ« (Die Wochenzeitung), sprach von einem »vorauseilenden Gehorsam des Verlegerpräsidenten«.
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