Die Zeit liegt tot ...

Die Erinnerungen des Bildhauers Peter Rosenbaum an seine NS-Haft

  • Cristina Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.

Mitte der 1920er Jahre lernten sie sich auf der Folkwangschule Essen kennen: Fritz Cremer, Hermann Blumenthal, Fritz Duda und Peter Rosenbaum. Die Freunde gingen nacheinander nach Berlin, um an den Vereinigten Staatsschulen Bildhauerei bzw. Malerei zu studieren. Hitlers Machtantritt 1933 bedeutete für sie, die zum Teil ihre Ausbildung noch nicht beendet hatten, eine schwerwiegende Zäsur.

Duda und Rosenbaum wurden im Widerstand der KPD-Opposition (KPO) aktiv. Cremer scharte an der Hochschule einen Kreis von Antifaschisten um sich, bis er 1940 zur Wehrmacht eingezogen wurde. Blumenthal fiel 1942 als Soldat an der Front. Und was geschah mit Rosenbaum? Er hatte sich als freier Künstler schon vor 1933 etabliert, arbeitete mit dem Regisseur Georg W. Pabst zusammen, hatte die Wachsfiguren für die Eingangssequenz der Verfilmung der »Dreigroschenoper« und das riesige steinerne Antlitz der »Herrin von Atlantis« geschaffen. Der beeindruckende Kopf seines »Bergmanns mit gebrochener Nase« wurde vom Folkwangmuseum angekauft. Bekannt sind zudem Porträts der Tänzerin Valeska Gert und des »rasenden Reporters« Egon Erwin Kisch.

Rosenbaum, der in der KPO wirkte, wurde 1934 verhaftet. Als er nach Monaten mangels Beweisen entlassen werden musste, riet ihm die Partei zur Emigration. Er floh mit seiner Frau nach Frankreich. Dort musste er sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser halten. Nach Kriegsbeginn wurde er interniert und entging später nur knapp der Deportation.

1938 hatte er noch Erinnerungen an seine Haft verfasst, wohl in der Hoffnung auf Veröffentlichung. Doch die zerschlug sich. Nach Kriegsende war es Rosenbaum nicht mehr möglich, seinen Beruf als Bildhauer auszuüben. Seine in Berlin zurückgebliebenen Werke sind verschollen.

An den Künstler und sein Werk erinnert nun das hier vorgestellte Buch. Seine Witwe Jeannine hat zusammen mit ihrem zweiten Mann Andreas Mittasch Kontakt zur Gedenkstätte Deutscher Widerstand aufgenommen, die sich bereitfand, das erwähnte unveröffentlichte Manuskript herauszugeben. Es ist ein bewegendes Dokument, eingeleitet von einer profunden biografischen Skizze.

Rosenbaum schildert tagebuchartig seine Haft in Berlin-Moabit, vor allem die unerträgliche Monotonie des Gefängnisalltags: »Die Zeit liegt tot ... Die Augen werden müde ... Die Nerven fiebern überreizt ... Gedanken, Licht, Dunkel, Bewusstsein, alles dreht sich.« Ab und an waren Schreie aus einem entfernten Zellentrakt zu hören; später stellt sich heraus, dass diese vom gefolterten KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann kamen.

Rosenbaums Manuskript ist ein wichtiges Zeitdokument. Der Titel »Der Ring« ist eine Anspielung auf den täglichen Rundgang der Gefangenen im Hof, der trotz Verbot zum Gedanken- und Informationsaustausch genutzt wurde. Rosenbaum zitiert das Gedicht eines anonymen Leidensgenossen und würdigt seinen Zellenkameraden Hans Baase, einen fünf Jahre älteren Kommunisten, von dem er zahlreiche Zeichnungen anfertigte; einige sind im Band abgebildet. Baase hat ihm beigestanden, als er nach einer grausamen Misshandlung beinahe an einer Blutvergiftung zugrunde gegangen wäre. Beeindruckend Rosenbaums Optimismus, mit dem er in jeder Situation auch das Schöne zu erfassen suchte. Bedauerlich ist, dass das Buch wenig Aufschluss über seine politische Arbeit gibt. Dass er sich bei der Niederschrift des Textes 1938 mit Details zurückhielt, ist verständlich. Zu groß war die Gefahr, Mitstreiter und sich selbst zu gefährden. Bekannt ist heute, dass die KPO in Berlin noch jahrelang in der Illegalität wirkte - dank Männern wie Rosenbaum.

Peter Rosenbaum: Der Ring. Erinnerungen aus einem nationalsozialistischen Gefängnis. Hg. v. Andreas Herbs, Andreas und Jeannine Mittasch und Christine Fischer-Defoy. Lukas Verlag. 182 S. geb., 19,80 €.

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