Roma sind willkommen
Wohnungsbaugesellschaft Gesobau führt gemeinsam mit dem Senat Kampagne durch
»In Rumänien ist die Situation schlecht, es gibt keine Arbeit. Ich habe immer in die hungrigen Gesichter meiner Kindern geblickt, was blieb mir denn übrig«, sagt der 28-jährige Stefan Lupasçu. Viele Roma aus Südosteuropa stehen massiver Ausgrenzung gegenüber, viele frühere Arbeitsorte wie Spanien, Italien, Griechenland sind aufgrund der Krise weggefallen. Die Zahl der Zuzüge aus Rumänien und Bulgarien nach Deutschland stieg seit dem EU-Beitritt 2007 auf gut eine halbe Million Menschen. Die Abhängigkeit von Hartz IV jedoch ist verglichen mit anderen Herkunftsländern unterdurchschnittlich.
Rund 40 000 Roma sind in der Hauptstadt gemeldet. Stefan Lupasçu ist einer von ihnen. Vor rund drei Jahren kam er nach Deutschland. Anfangs schlief er auf der Straße, dann bei Bekannten. Tagsüber arbeitete er am Bahnhof Zoo als Pantomime. Das habe er als Teenager, als er mit seinem Vater in Italien lebte, erlernt, sagt er. Letztes Jahr im Juni lernte er bei der Arbeit einen Mann kennen, der ihm eine Wohnung versprach. Er sah sich die Wohnung an, zahlte 600 Euro im Voraus und erhielt die Schlüssel. Kurze Zeit später - er hatte Frau und Kinder in Rumänien abgeholt - standen sie voll Vorfreude an der Tür, doch der Schlüssel passte nicht mehr ins Schloss, es war ausgetauscht worden, das Geld weg. In den kommenden Tagen schlief die Familie bei Bekannten im Keller, dann in einer Notunterkunft der Caritas.
Im »Nostel« hatte man Kontakt zum kommunalen Wohnungsunternehmen Gesobau, das über 42 000 Wohnungen verfügt. Es arbeitete gerade ein integratives Konzept aus. Und die Lupasçus hatten Glück im Unglück: Sie wurden die ersten Mieter innerhalb der Initiative »Herkommen. Ankommen. Willkommen. Unsere neuen Nachbarn«, die der Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt entgegenwirken will. Anfang dieser Woche wurde das Konzept im Märkischen Viertel offiziell vorgestellt. Begleitend gibt es ein vielfältiges kulturelles Programm mit Lesungen, Konzerten, Fotoausstellungen und einem Pantomimeauftritt von »Herrn Stefan« am 11. Mai. Denn, wie die Staatssekretärin Barbara Loth (SPD) bei der Eröffnung der Willkommensinitiative bekräftigte, gibt es meist Vorbehalte, wenn man sich nicht kennt.
In Zukunft soll das Projekt noch erweitert werden. »Die Deutschen haben es schon schwer, für Neuankömmlinge ist es unmöglich, etwas abseits von Schrottimmobilien zu finden«, sagt Sozialarbeiterin Cristina Schneeweiß vom Verein Aufwind. Als Kooperationspartnerin der Wohnungsbaugesellschaft begleitet und berät sie die Zugezogenen bei Behördengängen, in Schulen und bei alltäglichen Problemen. Wenn es um die Wohnungssuche geht, ist Schneeweiß allerdings ratlos. »Meist wird uns direkt die Tür vor der Nase zugeschlagen, werden horrende Mieten verlangt oder unbefristete Arbeitsverhältnisse vorausgesetzt.« Auf Nachfrage bestätigen Mitarbeiter der Hausverwaltung GMRE beispielsweise, dass ausschließlich Staffelmieten angesetzt sind, die nicht vom Jobcenter getragen werden. Stefan Lupasçu muss aufstocken. Morgens fährt er 30 Kilometer Rad, um zwischen 3 und 7 Uhr Zeitungen auszuteilen. Tagsüber kümmert er sich um seine drei Kinder, abends sitzt er mehrere Stunden im Deutschkurs. Auf die Frage, welche Pläne er hat, winkt er ab: »Das reicht mir gerade.«
Gegen die rasant wachsende Diskriminierung von Minderheiten auf dem Wohnungsmarkt in der Hauptstadt hat die Gesobau ein Zeichen gesetzt. Auch wenn es in einem Land wie Deutschland im Grunde beschämend ist, wenn eine so existenzielle Sache wie Wohnraum als Erfolg verbucht werden muss - egal welcher Herkunft der Mensch ist.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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