Einstieg in ein neues Leben
Unternehmen bietet Flüchtlingen, jungen Europäern und Deutschen eine gute Ausbildung
Am Mittwoch hatten sich Arbeitsministerin Diana Golze (LINKE) und Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) in Fürstenwalde (Oder-Spree) angesagt, um sich in dem erfolgreichen Unternehmen ein Bild von der Flüchtlingsausbildung zu machen.
»Wir sind hier bei einem Vorreiter und wollen Mut machen und zeigen, dass es funktionieren kann«, sagte Golze. Sie verwies auf eine Umfrage der Industrie- und Handelskammer, der zufolge drei Viertel der Brandenburger Unternehmen zwar bereit seien, Flüchtlingen durch Praktika, Ausbildung und Festanstellung eine Perspektive zu geben, aber eben nur theoretisch. Praktisch scheitere das oft an den Rahmenbedingungen. Wenn sich Firmen um Statusfragen und Deutschkenntnisse potenzieller Arbeitnehmer kümmern müssten, bedeute das viel Aufwand für die Lösung von Problemen, die sie mit einheimischen Arbeitnehmern überhaupt nicht hätten. Das mache oft jeden noch so guten Willen zunichte.
Reuther-Geschäftsführer Finn Melgaard streitet nicht ab, dass auch er genau gegen diese bürokratischen Hemmnisse zu kämpfen hat. Dennoch will er auf den hohen Ausländeranteil in seiner Firma nicht verzichten. »Ich bin selbst Ausländer hier. Ich bin Däne und habe immer Geschäfte im Ausland gemacht mit Menschen aus aller Welt. Da hat man eine ganz andere Sicht.« Melgaard schwört auf die hohe Motivation der Flüchtlinge, die hier in der Arbeit die Chance ihres Lebens sehen. Er will ihnen helfen. Neben den vier mittlerweile fest angestellten Flüchtlingen befinden sich derzeit weitere vier in einer Einstiegsqualifizierung, die im Herbst in einer Berufsausbildung münden soll. Zudem werden über das Sonderprogramm des Bundes zur »Förderung der beruflichen Mobilität von ausbildungsinteressierten Jugendlichen aus Europa« derzeit fünf Griechen ausgebildet. Und auch 22 deutsche Jugendliche lernen bei Reuther einen Beruf. Das heißt: mehr als zehn Prozent der gesamten Belegschaft sind in Ausbildung.
Finn Melgaard wurde für sein besonderes Engagement bei der Integration von Flüchtlingen am 22. April 2016 mit der Verdienstmedaille des Landtages ausgezeichnet. Im November 2015 belegte die Reuther STC GmbH beim bundesweiten »Deichmann-Förderpreis für Integration« in der Kategorie »Berufliche Förderung durch Unternehmen« Platz zwei.
Wirtschaftsminister Gerber ist überzeugt davon, dass »viele der bei uns Zuflucht suchenden Menschen im Gewerbe, im Handwerk oder auch in der Gastronomie ihren Platz finden werden, sobald sie genügend Sprach- und Fachkenntnisse haben«. Schließlich suchten viele Unternehmen händeringend Nachwuchs. Und »eine geregelte Arbeit trage wesentlich zu einer erfolgreichen Integration von Flüchtlingen bei«, so Gerber.
Am Erfolg des Flüchtlingsprojekts ist die Gesellschaft für Arbeit und Soziales (GefAS) beteiligt. Gründer und Vorstand Siegfried Unger sagte: »Wir bringen uns nicht nur mit Engagement ein, sondern auch finanziell. Zum Beispiel werden Fachdolmetscher gebraucht für die Berufsausbildung. Und die müssen bezahlt werden. Bislang sind es vor allem Politiker der LINKEN, die uns da konkret mit Spenden unterstützen.«
Reuther-Geschäftsführer Melgaard nutzte die Gunst der Stunde, um mit den Ministern über größere Flexibilität in der Zusammenarbeit mit Behörden sowie über Strategien zum stärkeren Ausbau erneuerbarer Energien zu diskutieren. Die Reuther STC GmbH ist der größte Hersteller von Windtürmen und Polrädern für Windkraftanlagen im Land Brandenburg. Viermal pro Woche rollen nach 22 Uhr vom Firmengelände bis zu 42 Meter lange Sondertransporte Richtung Autobahn. Das Unternehmen beschäftigt derzeit 300 Mitarbeiter und plant für 2016 einen Umsatz von 60 Millionen Euro.
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