Ein Dank an die Befreier
Bisher würdigen nur drei Bundesländer den 8. Mai als offiziellen Gedenktag
Zum 71. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus hat Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow gemahnt, die richtigen Lehren aus der Geschichte zu ziehen. Der Tag der Befreiung sei eine Aufforderung, »am gemeinsamen Haus Europa weiterzubauen und all jenen entgegenzutreten, die auf die Rückkehr zu nationalen Egoismen setzen«, sagte der Linkenpolitiker. Dieser Tag sei zugleich demokratischer Auftrag, die Erinnerung an das menschenverachtende System, die Opfer und Befreier wachzuhalten. Der 8. Mai war in diesem Jahr erstmals Gedenktag in Thüringen. Im Spätherbst 2015 hatte das Thüringer Parlament beschlossen, den 8. Mai zum gesetzlichen »Gedenktag anlässlich der Befreiung vom Nationalsozialismus und der Beendigung des 2. Weltkrieges in Europa« im Freistaat zu machen, erinnerte Christian Carius, der Präsident des Thüringer Landtages. »Dieser Tag gilt dem Gedenken an die Opfer, vor denen wir uns verneigen, und der Mahnung, die Würde des Menschen, Demokratie und Freiheit immer wieder von neuem gegen alle ihre Feinde zu verteidigen.«
Mit Gedenkfeiern war zuvor an die Befreiung des ehemaligen NS-Rüstungswerks Reimahg bei Kahla vor 71 Jahren erinnert worden. An mehreren Orten rund um die Kleinstadt im Saale-Holzland-Kreis wurden am Samstag Kränze niedergelegt. »Es ist wichtig, das Unrecht nicht zu vergessen«, sagte Kahlas parteilose Bürgermeisterin Claudia Nissen-Roth der dpa. Das sei mit Blick auf den Rechtsextremismus heute bedeutsamer denn je.
In dem nach dem damaligen Reichsmarschall Hermann Göring benannten Flugzeugwerk waren 12 000 Zwangsarbeiter und 3000 Facharbeiter aus Deutschland versklavt worden, etwa 1000 von ihnen starben. Viele kamen aus der norditalienischen Stadt Castelnovo ne' Monti, mit der Kahla eine Städtepartnerschaft eingehen wolle, erklärte Nissen-Roth. Eine Delegation aus Italien besucht seit Jahren die Gedenkfeiern für die Opfer des Werks, in dem Flugzeuge zusammengebaut wurden. Seit 2008 erinnert ein Dokumentationszentrum in Großeutersdorf an die Geschichte.
Derweil beging der Brandenburger Landtag zum zweiten Mal den Tag der Befreiung als offiziellen Gedenktag. In einer Feierstunde wurde am Sonntag in Potsdam an die Befreiung vom Faschismus und das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 71 Jahren erinnert. Im Mittelpunkt stand eine Rede des Ausschwitz-Überlebenden Leon Schwarzbaum. Landtagspräsidentin Britta Stark (SPD) sprach davon, dass es keinen Schlussstrich unter die Verbrechen geben könne, die von Hitlerdeutschland ausgingen.
Die traditionelle Potsdamer Gedenkfeier zum Jahrestag der Befreiung fand auf dem sowjetischen Ehrenfriedhof am Bassinplatz statt. Zu den Gästen gehörten auch Brandenburgs früherer Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), außerdem Landtagsabgeordnete und Stadtverordnete sowie Vertreter der russischen und belarussischen Botschaften und sowjetische Kriegsveteranen.
Der Landtag in Potsdam hatte vor einem Jahr den 8. Mai als offiziellen Gedenktag in das Feiertagsgesetz des Landes aufgenommen. Bereits seit 2002 ist der 8. Mai staatlicher Gedenktag in Mecklenburg-Vorpommern. Dort wurde mit einer Kranzniederlegung durch Vertreter von Landesregierung und Landtag am Sonntag in Raben-Steinfeld bei Schwerin an die Befreiung gedacht. Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) rief jüngere Menschen auf, die Erinnerung an das dunkelste Kapitel in der deutschen Geschichte wachzuhalten. Es gebe nicht mehr viele Zeugen, die von ihren schlimmen Erfahrungen und ihrem Leid berichten können, sagte er.
In Demmin wollte am Sonntag ein Bündnis von Parteien, Gewerkschaften und Kirchen gegen einen abendlichen Fackelzug der neonazistischen NPD protestieren. Geplant waren ein Friedensfest, Demonstrationen im Vorfeld sowie Mahnwachen während des NPD-Aufmarsches. Die Neonazis wollen die Ereignisse in Demmin vom 30. April bis 3. Mai 1945 für Hetze instrumentalisieren. Damals starben nach gewalttätigen Übergriffen durch Rotarmisten fast 1000 Demminer und viele Flüchtlinge, die in Demmin mit russischen Panzertruppen festsaßen. Daran erinnert die Kommune seit Jahren mit einem Gedenken, wehrt sich aber dagegen, dass Neonazis dies für ihre Propaganda nutzen. Mit Agenturen Seite 4
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