Erdogans Antrag auf einstweilige Verfügung abgewiesen
Kölner Richter verweisen auf Recht des Springer-Chefs Döpfner auf freie Meinungsäußerung
Köln. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ist vor Gericht mit einem Antrag auf eine einstweilige Verfügung gegen den Springer-Chef Mathias Döpfner gescheitert. Die Pressekammer des Kölner Landgerichts wies den Antrag am Dienstag zurück und begründete dies mit dem grundrechtlich gewährleisteten Recht Döpfners auf freie Meinungsäußerung, wie eine Gerichtssprecherin mitteilte. Gegen das Urteil ist sofortige Beschwerde beim Kölner Oberlandesgericht möglich.
Erdogan hatte mit dem Antrag die Unterlassung von Äußerungen verlangt, die Döpfner nach dem Schmähgedicht des ZDF-Satirikers Jan Böhmermann veröffentlicht hatte. In einem »P.S.« zu einem Artikel in der »Welt« hatte der Springer-Chef nach Gerichtsangaben geäußert, dass er sich allen »Formulierungen und Schmähungen« Böhmermanns inhaltlich voll und ganz anschließe und sie sich »in jeder juristischen Form zu eigen« mache.
Unterstützung bekam Döpfner vom Vorsitzenden der Liberalen-Fraktion im Europaparlament, Guy Verhofstadt. Der frühere belgische Premierminister sagte am Dienstag, er mache sich die Äußerungen Döpfners zum Satirebeitrag von Jan Böhmermann zu eigen. »Ich denke, dass das eine Art von Belästigung ist«, erklärte Verhofstadt zu Erdogans Antrag. »Jetzt soll es auch noch verboten sein, in der EU zu lachen.« Verhofstadt sagte, er erwarte nun eine Klage des türkischen Präsidenten, halte dies aber »für die beste Art, zu reagieren«.
Das Landgericht befand nun in seinem Beschluss, im Spannungsfeld zwischen dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Erdogans sei die Äußerung Döpfners als Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung in einer kontroversen Debatte zulässig.
Ein Unterlassungsanspruch Erdogans folge auch nicht daraus, dass Döpfner möglicherweise rechtswidrige Äußerungen Böhmermanns verbreitet hätte - denn allein in der Bezugnahme auf die nicht wörtlich wiedergegebenen Äußerungen Böhmermanns und dem damit verbundenen ausdrücklichen Sich-Zu-Eigen-Machen liege keine Verbreitung dieser Äußerungen.
Dies gelte auch, soweit Döpfner eine einzelne Äußerung Böhmermanns wörtlich wiedergebe. Denn Döpfner rechne diese Äußerung erkennbar Böhmermann zu und setze sich mit dem wiedergegebenen Wort nur beispielhaft im Rahmen der zulässigen öffentlichen Kontroverse auseinander - ohne losgelöst vom bereits in der Artikelüberschrift wiedergegebenen Kontext »Kunst- und Satirefreiheit« den türkischen Staatschef selbst mit einer solchen Äußerung zu belegen.
Die Gerichtssprecherin wies darauf hin, dass mit dem Gerichtsbeschluss ausdrücklich nicht festgestellt werde, ob Böhmermanns Schmähgedicht auf Erdogan zulässig oder unzulässig ist. Böhmermann hatte Erdogan Ende März in einer Satire mit Worten unter der Gürtellinie angegriffen. Der ZDF-Moderator hatte das als »Schmähkritik« angekündigte Gedicht in den Kontext einer Diskussion über die Grenzen von Satire und Meinungsfreiheit gestellt.
Ankara verlangte daraufhin eine Strafverfolgung Böhmermanns wegen Beleidigung ausländischer Staatschefs. Gegen den Widerstand des Koalitionspartners SPD erteilte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die dazu nötige Ermächtigung. Agenturen/nd
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