Vattenfall für Blockade gewappnet

Energiekonzern füllt zum Wochenende hin die Kohlebunker seiner Kraftwerke in der Lausitz

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.
2000 Klimaschützer möchten am Wochenende mindestens einen Braunkohletagebau besetzen. Die Einzelheiten sind geheim. Vattenfall bereitet sich vor. Am Ende könnte das Wetter entscheidend sein, ob die Störaktion gelingt.

»Ich spreche kein Deutsch, sorry for that«, sagt Annika Hagberg am Mittwoch im Berliner Haus der Demokratie. Dort informierte das Bündnis »Ende Gelände« über seine Pläne, einen Braunkohletagebau in der Lausitz zu besetzen, so wie es vor einem Jahr schon einmal im rheinischen Revier gemacht worden ist.

Hagberg ist Schwedin und quasi die Vorausabteilung von Umweltaktivisten aus ihrer Heimat, die an diesem Donnerstag mit Bussen im Klimacamp im Dorf Proschim am Rande des Tagebaus Welzow-Süd eintreffen sollen. Insgesamt 25 Busse aus zwölf verschiedenen Staaten werden erwartet. 300 Menschen sind am Mittwoch schon im Camp gewesen.

Hagberg beklagt, dass im schwedischen Reichstag nicht einmal die Grünen ablehnen, dass der Staatskonzern Vattenfall seine deutsche Braunkohlesparte an die umstrittene tschechische Holding EPH verkauft. Nur die Vänsterpartiet, Schwedens Linkspartei, sei strikt gegen den Verkauf. Die Vänsterpartiet wünscht, dass Vattenfall die Energiewende in der Lausitz organisiert. Eine Entscheidung soll Ende Juni fallen.

Mehr als 2000 Aktivisten möchten am Pfingstwochenende zivilen Ungehorsam leisten, heißt es. »Von uns soll keine Eskalation ausgehen, und wir wollen keine Sachbeschädigung«, versichert Hannah Eichberger, Sprecherin von »Ende Gelände«.

Vattenfall bereitet sich vor. Die Kohlebunker aller Kraftwerke sollen zum Wochenende »maximal« gefüllt sein, verrät Firmensprecher Thoralf Schirmer. Wie es aussieht, werde das auch gelingen, da im Moment die Sonne scheint und auch Wind weht, also Solar- und Windenergie erzeugt wird. Deshalb fahren die Braunkohlekraftwerke nicht mit voller Leistung und es besteht die Gelegenheit, die Kohlereserven aufzufüllen. Einen Tag lang könnte Vattenfall eine Blockade deshalb schadlos überstehen.

Wann und wo die Klimaschützer in einen Tagebau einzudringen versuchen und wie lange sie ausharren, ist nicht klar. Es wird vermutet, dass Welzow-Süd ihr Ziel sei. Tatsache ist, dass es am Freitag um 10 Uhr im Klimacamp ein letztes Aktionstraining geben soll, und dass Journalisten anschließend erfahren sollen, wo sie die Blockade beobachten dürfen.

»Wir sind auf alles vorbereitet«, betont Vattenfall-Sprecher Schirmer. Er warnt, dass es gefährlich sei, einen Tagebau zu stürmen – für Aktivsten und ebenso für Kohlekumpel. Sicher gebe es unter den Aktivisten einige, die das Risiko richtig abschätzen, meint Schirmer. Doch bei einer Masse von Menschen könnten das nicht alle. Darum sei die Aktion unverantwortlich. »Es gibt sehr viele Möglichkeiten, demokratisch und legal zu protestieren«, erinnert Schirmer. Vattenfall habe die Organisatoren ausdrücklich auf die Risiken hingewiesen und darauf, dass ein Betreten des Betriebsgelände deshalb verboten sei. Bei Zuwiderhandlung müsse man mit rechtlichen Schritten rechnen. Wahrscheinlich werden die Aktivisten dies nicht respektieren, bedauert Schirmer, der trotzdem noch hofft, »dass die Vernunft siegt«.

»Ende Gelände« zeigt sich äußerst entschlossen, obwohl die Besetzung des Tagebaus Garzweiler vor einem Jahr Konsequenzen hat. Damals Beteiligte sollen sich verpflichten, nie wieder Gelände des Energiekonzerns RWE zu betreten. Entsprechende Unterlassungserklärungen übermittelte eine Anwaltskanzlei. Eingegangen sind solche Schreiben mit Datum 4. April und 17. Mai 2016. »Wir wissen von 35 Briefen mit der ersten Fuhre«, erklärt Georg Kössler, der selbst einen erhielt. Mit der zweiten Fuhre seien mindestens neun Briefe herausgegangen. Der Vorwurf laute Hausfriedensbruch. »Nach unserer Kenntnis haben 15 Empfänger nicht unterschrieben und die übrigen – bis auf einen – unterzeichneten nur eine geänderte Fassung.« Wer die ursprüngliche Unterlassungserklärung unterschreibt und von RWE erwischt wird, müsste empfindliche Strafen zahlen. Zusätzliche Schadenersatzforderungen seien damit nicht vom Tisch, erläutert Kössler.

»Ende Gelände« lässt sich nicht einschüchtern. Das Bündnis sandte RWE seinerseits den Vordruck einer Unterlassungserklärung. Der Text verbietet dem Konzern den Abbau von Braunkohle. »Jedes Zuwiderhandeln hat Meeresspiegelanstieg, Überschwemmungen, Wirbelstürme und andere Naturkatastrophen zur Folge und wird mit unserem politischen Widerstand beantwortet.«

Weitere Infos: lausitzcamp.info, ende-gelände.org

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