Internes Dokument: TTIP durch die Hintertür?
CETA-Handelsabkommen kann Schiedsgerichte am Parlament vorbei einführen / Gabriel lehnt TTIP nach US-Vorstellungen ab / Wirtschaftsminister hält aber an Abkommen fest
Berlin. Umstrittene Teile des TTIP-Abkommens will die Bundesregierung über das wenig beachtete Handelsabkommen mit Kanada (CETA) vorantreiben. Ein internes Dokument aus dem Wirtschaftsministerium, das Greenpeace vorliegt, zeigt: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) macht Druck, damit der Rat der EU-Außen- und Handelsminister auf seiner morgigen Sitzung in Brüssel die Umsetzung von CETA rasch vorantreibt. Teile des Handelsabkommens sollen von der EU ohne Zustimmung der nationalen Parlamente in Kraft gesetzt werden können. Dazu gehören auch die viel kritisierten Schiedsgerichte.
Über diesen Umweg könnten auch US-Firmen mit kanadischen Tochterunternehmen etwa gegen europäische Umweltgesetze klagen - auch wenn TTIP scheitert. »Während der Widerstand gegen TTIP immer breiter wird, versucht die Bundesregierung, Kernelemente des Abkommens über CETA durch die Hintertür einzuschmuggeln«, sagt Greenpeace-Sprecher Christoph Lieven. »Gabriel muss endlich dafür kämpfen, dass die Regeln für den künftigen Handel den Menschen dienen, nicht den Konzernen.«
Der Bundeswirtschaftsminister selbst behauptet, er wolle kein von Vorstellungen der USA dominiertes transatlantisches Handelsabkommen. »Das will niemand«, sagte Gabriel am Mittwoch während einer aktuellen Stunde zum umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP im Bundestag. »TTIP, so wie es sich die Amerikaner vorstellen, darf und wird es nicht geben«, sagte der Minister. Zugleich betonte er, ein Abkommen zwischen der EU und den USA sei grundsätzlich unverzichtbar.
Deutschland sei ebenso wie der Rest Europas auf offene Märkte angewiesen, sagte Gabriel weiter. »Offene Märkte brauchen gute Regeln.« Dabei sei klar, dass bestimmte »rote Linien« nicht überschritten werden dürften. Es sei jedoch keine Alternative, sich generell gegen die Weiterführung der TTIP-Verhandlungen zu stellen. Statt nur zu sagen, was sie nicht wollen, müssten Kritiker des Abkommens vielmehr deutlich machen, was sie wollen.
Zugleich zog Gabriel die Vorstellung der USA und auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Zweifel, dass bei dem Abkommen noch in diesem Jahr eine Einigung erzielt werden könne. Angesichts der Forderungen der USA fehle ihm die »Fantasie«, sich vorzustellen, wie das noch 2016 möglich sein solle. Bei dem Abkommen müsse »gut vor schnell« gelten, und nicht andersherum.
Die EU-Kommission und die US-Regierung verhandeln bereits seit 2013 über das geplante Abkommen. Es soll der Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks einen enormen Schub geben, indem Zölle und andere Handelshemmnisse abgebaut werden. Kritiker befürchten allerdings, dass mit dem transatlantischen Freihandelsabkommen Standards im Verbraucher- und Umweltschutz gesenkt werden und die Gentechnik in Europa Einzug hält.
Indessen ist CETA bereits fertig verhandelt. Auf dem Weg zur Verabschiedung durch den Rat der Minister, das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente stellt die Sitzung des Ministerrats am Freitag entscheidende Weichen. Das Gremium, in dem Gabriel die deutsche Position vertritt, kann eine vorläufige Anwendung des Abkommens beschließen. Offensichtlich treibt Gabriel den CETA-Prozess an, weil er einen Vorschlag für unabhängige Richter bei Schiedsgerichten durchgesetzt hat. »CETA ist der gefährliche Bruder von TTIP. Das Abkommen würde eine Paralleljustiz für Unternehmen schaffen, die EU-Staaten auf Milliarden Schadensersatz verklagen können«, betont Greenpeace-Sprecher Lieven.
Die Greenpeace vorliegende interne Weisung des Wirtschaftsministeriums stellt die Position der Bundesregierung dar, die die deutsche Delegation in Brüssel vertreten muss. Das Dokument zeigt, dass CETA auf Wunsch von Deutschland auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Das Ministertreffen sei eine »hervorragende Möglichkeit«, das »große Interesse der EU an diesem wichtigen Abkommen zu betonen«. CETA stelle »eine Messlatte für weitere Abkommen dar«. Agenturen/nd
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