Landwirt wird Luftflotten-Lotse
Agrardrohnen werden immer öfter eingesetzt - in Wenigerode wird auf dem Gebiet geforscht
Über den Feldern des Nordharzes kreisen längst nicht mehr nur fleißige Honigbienen - zu ihnen gesellen sich immer öfter Drohnen. Moderne Multikopter unterstützen die Landwirte, denn längst gelte der alte Spruch von den dümmsten Bauern, die die größten Kartoffeln ernten, nicht mehr. »Prozesse der Automatisierung und Informatik machen auch vor der Landwirtschaft nicht halt«, erklärt Prof. Frieder Stolzenburg vom Fachbereich Automatisierung und Informatik an der Hochschule Harz in Wernigerode (Sachsen-Anhalt). »So kann mit speziellen Kameras beispielsweise das Pflanzenwachstum überwacht werden, woraus sich Empfehlungen für die Düngung ableiten lassen.«
Auf diese Weise lässt sich zum Beispiel einer Überdüngung des Bodens entgegenwirken. Das spart Kosten und schützt den Boden. Mit dem Drohneneinsatz, so Stolzenburg, könne man verhindern, dass Felder platt getrampelt und Böden durch viele Befahrungen verdichtet werden. Bauern und Informatiker seien auf dem Weg zur »Präzisionslandschaft«. »So können wir berührungs- und beschädigungslos Daten erheben. Das reicht von der Bewuchshöhe und -dichte, über den Chlorophyllgehalt von Pflanzen bis zu solchen Daten des Bodens wie Porenvolumen, Temperatur und Feuchtigkeit.« Wissenschaftler der Universität Potsdam haben so bei Marquardt per Multikopter Winterweizenschläge analysiert.
Die Erhebung solcher Daten ist wichtig, denn durch die Zunahme extremer Witterungsbedingungen sinkt zum Beispiel die Verfügbarkeit von Wasser, die Pflanzen werden einem Trockenstress ausgesetzt. Dem kann durch gezielte Beigabe von wasserspeichernden Zusatzstoffen entgegengewirkt werden. Für den Wissenschaftler Stolzenburg knüpft das kürzliche Treffen von 80 Agrarexperten und Informatikern in Sachsen-Anhalt an die Vergangenheit seiner Lehr- und Forschungseinrichtung an: »Vor der Gründung im Jahr 1991 befand sich auf dem heutigen Campus der Hochschule Harz eine Agraringenieurschule.« Kameras, die im Infrarotnahbereich arbeiten, seien unterdessen so intelligent, dass ihre Daten direkt per Computer an Bord ausgewertet werden, erklärt Stolzenburg. Die »Flugrobotik« sei derzeit noch im Teststadium, jedoch werde die Technologie immer kostengünstiger.
Zudem stellen, wie beim Erfahrungsaustausch zur Anwendung von bildgebenden und spektroskopischen Methoden in der Landwirtschaft dieser Tage in Wernigerode, zahlreiche Firmen Neuheiten sowohl in der Kameratechnik als auch bei modernen Multikoptern vor. Eine zentrale Frage bei dieser Technik ist: Tragflügel oder Propeller - was ist besser? Auch sucht man nach Lösungen für die Stromversorgung. »Gerade hier in Sachsen-Anhalt gibt es große Schläge, viele Hektar, die überflogen werden, so dass die Batterien eine längere Lebensdauer haben sollten. Zudem arbeiten wir mit kabelgebundenen Flugroboter«, so Stolzenburg.
Zahlreiche Agrarunternehmen nutzen bereits moderne Bildtechnik, zumeist werden Kameras an Stativen am Traktor angebracht. Beim auf diesem Gebiet fitten Magdeburger Landwirtschaftsunternehmen »Agro Bördegrün« habe er eine Kombination von Helikopter und Stativkamera angeregt, berichtet Stolzenburg.
Der Wissenschaftler betrachtet auch andere Bereiche als multikopter-tauglich. Dazu zähle die Suche nach archäologischen Funden oder die Inspektion von Windkraftanlagen. Informationssystemexperte Ludwig Schrenk aus dem mecklenburgischen Bentwisch etwa sieht große Chancen, mit Befliegungen kostengünstige und schnelle Alternativen zur klassischen Vermessungskosten zu schaffen. Mit Koptern und Flächenfliegern könne auch der aktuelle Befüllungsstand von Deponien ermittelt und 3-D-Modelle gestaltet werden.
Dass Joggern oder Spaziergängern künftig in freier Natur statt eines Insektenstichs ein Drohnen-Zusammenstoß droht, hält Stolzenburg aber für sehr unwahrscheinlich. Nicht nur, dass die Landwirte als Besitzer der Fluggeräte Sicherheitsstandards beachten müssen. »Anders als bei Einsätzen zur Überwachung von Veranstaltungen wird ja nicht über Menschenmassen geflogen. Da kein Agrar-Multikopter über 100 Meter hoch unterwegs ist, besteht auch keine Gefahr für richtige Flugzeuge.«
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