Was die Thüringer bewegt
Im Landtags-Petitionsauschuss sorgen die Gebietsreformpläne schon jetzt für Arbeit
Erfurt. Der Landtag in Erfurt stellt sich auf viele Beschwerden der Thüringer gegen die Gebietsreform ein. »Die ersten Vorzeichen sind schon da«, sagte der Vorsitzende des Petitionsausschusses, Michael Heym (CDU), am Dienstag in Erfurt. Er verwies auf eine Petition von Einwohnern Weimars, die mit mehr als 14 000 Unterschriften erreichen wollen, dass die Stadt kreisfrei bleibt und nicht einem Landkreis zugeordnet wird. Die Petition sei mittlerweile an den Innenausschuss des Landtags weitergeleitet worden, erklärte Heym. »Das ist erst der Anfang.« Noch sei die Gebietsreform abstrakt.
Heym rechnet außerdem damit, dass sich viele Thüringer gegen das Aus für die sogenannten Brenntage wenden werden. Die ersten Petitionen dazu seien bereits eingegangen. Seit Januar dürfen Strauch- und Grünschnitt nicht mehr ohne weiteres auf Grundstücken verbrannt werden.
Bürger können den Petitionsausschuss einschalten, wenn sie sich von Ministerien oder anderen Landesbehörden, Kommunen, Schulen oder der Polizei benachteiligt oder ungerecht behandelt fühlen. Landtagspräsident Christian Carius bezeichnete das Gremium deshalb als Seismograph für das Parlament und als wichtige Schnittstelle mit der Bevölkerung.
Im vergangenen Jahr erreichte Heym zufolge die Zahl der Petitionen an den Landtag mit 1130 einen neuen Höchststand. Das seien die meisten Neueingänge seit 17 Jahren. Seit 1991 wurden knapp 25 000 Petitionen bearbeitet.
Im vergangenen Jahr betraf etwa jede fünfte Petition den Straf- und Maßregelvollzug. Hierzu gingen 238 Beschwerden ein. In vielen Fällen ging es Heym zufolge darum, dass Häftlinge vor ihrer Entlassung die ihnen gesetzlich zustehenden Lockerungen einforderten. Sie hätten befürchtet, dass sie »vor die Tür gestellt werden«, ohne sich aus dem Gefängnis heraus um eine Wohnung oder eine Arbeitsstelle kümmern zu können. Dazu liefen Gespräche mit dem Justizministerium, sagte Heym.
Auf das Gebiet Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit entfielen im vergangenen Jahr 202 Petitionen. Thüringer forderten zum Beispiel mehr Blindengeld. Immer wieder befasst das sich das Gremium auch mit Streitigkeiten zwischen Jobcentern und Hartz IV-Betroffenen, etwa wenn Kosten für einen Umzug oder Malerarbeiten übernommen werden sollen. In Südthüringen sprachen sich Einwohner dagegen aus, dass in einer ehemaligen Kaserne aus DDR-Zeiten Flüchtlinge untergebracht werden.
Als Beispiel, dass die Arbeit des Petitionsausschusses von Erfolg gekrönt sein kann, verwies Carius auf die Gemeinde Rositz im Altenburger Land. Eine Bürgerinitiative machte darauf aufmerksam, dass an einem ehemaligen Werk für Teerverarbeitung Schäden für die Umwelt drohten. Nun gebe es einen »konkreten Sanierungsplan« für den Ortsteil Rositz-Schelditz, erklärte Carius.
In Erfurt wiederum warnte eine Frau vor negativen Folgen, sollte der Busbahnhof für Fernbusse zum Flughafen Erfurt-Weimar verlagert werden. Sie sprach sich für eine Station in Zentrumsnähe aus. Bislang halten Fernbusse am Hauptbahnhof. Ein Autofahrer forderte, dass die Höchstgeschwindigkeit in den Tunneln entlang der Autobahn 71 von derzeit 80 auf 100 Stundenkilometer angehoben wird. In Suhl wandte sich eine Bürgerinitiative gegen Pläne, dass ein Funksendemast neben einer Kirche errichtet werden sollte, die unter Denkmalschutz steht. Nach Angaben von Heym ging die Zahl der Beschwerden zurück, die sich zum Beispiel mit den Beiträgen für den Ausbau von Straßen befassten. dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.