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Niederlande kürzen kräftig bei der Bildung
Einsparungen betreffen ausländische Studierende und ganze Studiengänge und führen zur Entlassung fester Uni-Mitarbeiter
Seit Dienstagnachmittag ist es beschlossene Sache. Die Erste Kammer, der Senat des niederländischen Parlaments, hat radikalen Sparmaßnahmen zugestimmt. Nachdem Eppo Bruins, Minister für Bildung, Kultur und Wissenschaft, im März noch Einsparungen von zwei Milliarden Euro in seinem Ressort angekündigt hatte, einigten sich die Parteien am Ende auf 1,2 Milliarden.
Der Dachverband Universitäten der Niederlande will gegen die Kürzungen rechtliche Schritte einleiten. Bereits seit Wochen finden an Hochschulen landesweit Streiks und Proteste statt. Bei einer Aktion in Den Haag nahmen mehr als 25 000 Menschen teil. »Wir fürchten Massenentlassungen und machen uns Sorgen, dass wichtigen Studiengängen die Existenzberechtigung abgesprochen wird«, betont Carline van Breugel vom Algemene Onderwijsbond (AOB), der größten Bildungsgewerkschaft in den Niederlanden.
Zu einem Protest am Montagmittag in Amsterdam kamen rund 2500 Personen, bei allen bisherigen Kundgebungen waren es zusammengerechnet laut AOB mehr als 50 000. Weitere Veranstaltungen sind in den kommenden Tagen und Wochen an Hochschulen in Rotterdam, Tilburg, Maastricht und Delft geplant.
Bereits im Wahlkampf 2023 hatte die extrem-rechte Freiheitspartei (PVV) um Geert Wilders Stimmung gemacht gegen englischsprachige Studiengänge und die angeblich zu hohe Anzahl ausländischer Studierender im Land. Im vergangenen September gab die Regierung von Dick Schoof dann bekannt, dass sie Maßnahmen durchsetzen wolle, »um internationale Studierendenströme besser zu steuern und die niederländische Sprache an den Hochschulen wieder zur Norm zu machen«. Darüber hinaus würden mit den Institutionen Vereinbarungen getroffen, um die Zahl der internationalen Studenten zu verringern. Das werde zu Einsparungen von 293 Millionen Euro pro Jahr führen.
Die Einschnitte sollen außerdem Langzeitstudierende treffen, wobei noch nicht klar ist, wie dies konkret umgesetzt werden soll. Die Regierung verspricht sich davon Einsparungen in Höhe von 282 Millionen Euro jährlich. Zudem sollen die Mittel des Forschungs- und Wissenschaftsfonds um 132 Millionen Euro gekürzt werden.
An der Freien Universität Amsterdam (VU) zeigt der Sparkurs bereits Folgen. 40 Mitarbeiter wurden entlassen, der Fachbereich Geowissenschaften wird zum Studienjahr 2027/2028 aufgelöst. Man sei gezwungen, drastische Maßnahmen zu ergreifen, erklärte die Vorsitzende des VU-Vorstands, Margrethe Jonkman. Die Universität Utrecht wird bis 2030 sechs Studiengänge ganz einstellen: Deutsch, Französisch, Italienisch, Keltisch, Arabisch, Islamwissenschaften und Religionswissenschaften.
Patrizia Hoyer ist Assistenz-Professorin im Bereich Organisationswissenschaft der Amsterdamer Universität. »Wir hören, dass Personen mit einer Festanstellung ihre Arbeitsplätze verlieren«, zeigt sie sich alarmiert. »Das passiert sonst an Unis eigentlich nicht, und es ist nun wie ein Schock, der durch unsere Reihen geht.« Zwar sei ihre Fakultät noch nicht betroffen, aber schon in der nächsten Runde könne das anders aussehen.
Mit ihrer Teilnahme an den Protestaktionen will Hoyer deshalb ein Zeichen setzen und ihren Widerspruch hörbar machen. Die Ausrichtung der derzeitigen Regierung in der Bildungspolitik sei schlicht falsch. Und sollten diese Kürzungen durchkommen, wäre das nur ein Signal für weitere.
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