Korrupter Premier unter EU-Schutz

Kritik an Montenegros Regierungschef Djukanovic / Neuwahlen im Herbst geplant

  • Thomas Roser, Podgorica
  • Lesedauer: 3 Min.
Heftige Kontroversen begleiten das zehnjährige das Staatsjubiläum Montenegros. An Dauerpremier Milo Djukanovic scheiden sich mehr als je zuvor die Geister.

Warme Worte aus Brüssel sind für den vermeintlichen »Champion der EU-Annäherung« garantiert: Zu den Feierlichkeiten zum zehnten Jahrestag des unabhängigen Montenegros wird am Samstag eigens EU-Ratspräsident Donald Tusk ins beschauliche Podgorica reisen. Doch wie vor dem umstrittenen Unabhängigkeitsreferendum 2006 wird das Jubiläum von Kontroversen überschattet. Auch zehn Jahre nach dem Ausscheren aus dem Staatenbund mit Serbien bleibt der von Korruption und Clanwirtschaft geplagte Adriastaat ein zerrissenes Land.

Mit einer »Punktlandung« hatte der seit 1991 mit kurzen Unterbrechungen amtierende Dauerpremier Milo Djukanovic bei der Volksbefragung am 21.Mai 2006 das rund 600 000 Einwohner zählende Land in die Unabhängigkeit gelotst. Mit 55,5 Prozent lag der Anteil der Befürworter knapp über den erforderlichen 55 Prozent der Stimmen: Wie jedem Urnengang in dem Küstenstaat haftete auch dem von Brüssel umgehend anerkannten Referendum der zweifelhafte Geruch von Manipulationen an.

Die von Djukanovic und seiner DPS forcierte Eigenstaatlichkeit und EU-Ausrichtung ist zwar selbst bei der Opposition und der starken serbischen Minderheit mittlerweile kaum mehr umstritten.

Doch es ist nicht nur der bevorstehende, am Donnerstag mit der Unterzeichnung des Beitrittsprotokolls bekräftigte Nato-Beitritt, der das Land der Schwarzen Berge polarisiert. Es ist der steinreiche Regierungschef, an dem sich bei dem EU-Anwärter die Geister scheiden. »Milo, du Dieb«, skandierten vergangene Woche die Abgeordneten der oppositionellen »Demokratischen Front«, als der Premier sein neues Kabinett vorstellen wollte. »Bravo, ihr Idioten«, kommentierte Djukanovic wenig staatsmännisch deren Auftritt, bevor er sichtlich genervt vorzeitig das Rednerpult räumte.

Erst am Donnerstag konnte seine neue, auf Druck der EU zustande gekommene Übergangsregierung endlich bestätigt werden: Mit mehreren Ministern aus den Reihen der gespaltenen Opposition soll das erstmals die Durchführung fairer Wahlen im Herbst ermöglichen. Doch auch wenn Brüssel den Ränkeschmied auf Reformkurs nötigt, sitzt die Skepsis gegenüber dem gewieften Strippenzieher tief. »Das Problem Montenegros ist eine Demokratie, wo alles in der Hand eines Mannes ist«, sagt Ex-Parlamentspräsident Ranko Krivokapic von der aus der Regierung ausgeschiedenen SDP. Der größte »Erfolg« der Unabhängigkeit Montenegros sei die Tatsache, dass »Djukanovic noch immer in Freiheit ist, und unser Mafiakartell die Kriegsjahre bis heute unbeschadet überdauert hat«, konstatiert in dessen Geburtsstadt Niksic bitter der hoch gewachsene Geschäftsmann Balsa: »Gleichzeitig hat er uns in zehn Jahren bis über den Hals verschuldet.«

Tatsächlich hält der Westen schon seit den Zeiten von Serbiens Slobodan Milosevic die schützende Hand über Montenegros geschäftstüchtigen Vormann: Alle Ermittlungen wegen Verdacht des staatlich organisierten Zigarettenschmuggels in den 90er Jahren haben westliche Justizbehörden mittlerweile eingestellt. Zwar hat die EU bei Montenegros 2012 begonnenem Beitrittsmarathon mittlerweile bereits 20 von 33 Verhandlungskapiteln eröffnet. Doch noch immer genießt das Land den Ruf eines Mekkas für fragwürdige Glücksritter, Geldwäscher und Drogenbarone.

Das triste Bild wurde in dieser Woche durch ein spektakuläres Schuldgeständnis bestätigt. Er sei der Chef einer kriminellen Vereinigung zur Unterschlagung von 20 Millionen Euro aus der kommunalen Kasse von Budva gewesen, gab der vor fünf Monaten verhaftete, und nach seinem Bekenntnis vorläufig frei gelassene stellvertretende DPS-Chef Svetozar Marovic in dieser Woche offen zu.

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