Flüchtlinge vor Libyen gerettet
Eine Million Migranten im Bürgerkriegsland
Binnen 48 Stunden sind rund 5600 Flüchtlinge auf dem Weg von Libyen in die EU aus nicht seetüchtigen Booten aus dem Mittelmeer gerettet worden. Dies teilte die italienische Küstenwache am Dienstag mit. An den Rettungsaktionen seien zivile und Kriegsschiffe beteiligt gewesen. Damit kamen nach Zählungen des UN-Flüchtlingshilfswerks seit Jahresbeginn fast 40 000 Personen auf diesem Weg in Italien an.
Allein am Dienstag wurden nach Angaben der Küstenwache mehr als 3000 Menschen aus Booten gerettet. Am Montag hatten zwei italienische Kriegsschiffe rund 500 Flüchtlinge aufgenommen. Zwei Schiffe der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen holten 788 Menschen an Bord, ein irisches Kriegsschiff weitere mehr als 100 Flüchtlinge. Insgesamt gab es binnen 48 Stunden 23 Rettungseinsätze.
Bis vor kurzem war der Großteil der Flüchtlinge mit dem Ziel EU über die Ägäis nach Griechenland und von dort aus über die Balkanroute weiter nach Norden in Länder wie Deutschland gelangt. Nach der Schließung der Balkanroute Anfang März durch Mazedonien und dem Pakt der EU mit der Türkei, damit Ankara die Überfahrt weiterer Flüchtlinge von seinem Territorium nach Europa verhindert, werden wieder verstärkt Fluchtrouten von Nordafrika über das Mittelmeer nach Italien genutzt.
Bislang heißt es, die Behörden hätten keine Hinweise darauf, dass Flüchtlinge aus Asien auf die Route über Libyen umschwenken. Die meisten der seit Jahresbeginn übers Mittelmeer nach Italien gekommenen Menschen stammten aus Schwarzafrika.
Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) halten sich derzeit jedoch zwischen 700 000 und einer Million Flüchtlinge aus Schwarzafrika innerhalb Libyens auf. »Es weiß allerdings niemand, wie viele von ihnen nach Europa wollen«, sagte der IOM-Missionschef für Libyen, Othman Belbeisi, am Dienstag gegenüber dpa in Tunis. »Einige gehen einfach nach Libyen, um dort zu arbeiten.«
Diese Zahlen stützen sich auf Beobachtungen der IOM und Schätzungen von Botschaften in der Region. Trotz der andauernden inneren Konflikte in Libyen würden vor allem Eritreer und Somalier, aber auch Westafrikaner dort im Bauwesen, in der Landwirtschaft und im Dienstleistungsbereich Jobs suchen und auch finden - selbst wenn in den Regionen immer wieder Kämpfe ausbrächen.
»Bevor sie ankommen, wissen viele nicht, wie schlimm die Lage in Libyen ist«, sagte Belbeisi. »Wenn sie genügend Geld zusammen haben, nehmen einige das Boot übers Mittelmeer.« Bisher gelangten laut IOM in diesem Jahr knapp 34 000 Flüchtlinge über die Mittelmeerroute nach Italien - im Vergleich zu mehr als 47 000 im gleichen Zeitraum des Vorjahres. 988 Menschen seien in diesem Jahr bislang auf der Mittelmeerroute nach Italien umgekommen, bis Ende Mai 2015 seien 1782 Tote gezählt worden.
AFP/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.