Idomeni: Umgesiedelte Geflüchtete klagen über Zustände
UN besorgt über Elendsbedingungen in griechischen Flüchtlingslagern / Räumung des Lagers unweit der Grenze zu Mazedonien bereits abgeschlossen / Regierung in Athen kündigt weitere Umsiedelungen an
Berlin. Einen Tag nach der umstrittenen Räumung des Flüchtlingslagers von Idomeni herrschte am Freitagmorgen Ruhe in der Region. Dies berichteten übereinstimmend griechische Medien. »Hier im ehemaligen Lager sind keine Migranten mehr zu sehen«, berichtete ein Reporter im Fernsehen. Auch die Bahnverbindung nach Mazedonien sei wieder geöffnet, hieß es. »Es sind keine Menschen mehr da, nur Zelte mit Hilfsgütern, die Hilfsorganisationen gehören«, sagte ein Polizeivertreter.
Die von der Räumungsaktion erfassten Flüchtlinge wurden in mehrere Lager in Vororten der griechischen Großstadt Thessaloniki gebracht. Ein AFP-Reporter berichtete aus dem Lager Derveni, dass die eintreffenden Flüchtlinge mit den dortigen Zuständen unzufrieden waren. »Es gibt nicht genug zu essen, keine Duschen und keinen Arzt«, sagte der 32-jährige Syrer Juan. »Möglicherweise ist es etwas besser als Idomeni, aber es ist keine Lösung«, äußerte der 29-jährige Nidal. »Ich fühle mich hier wie ein Gefangener.«
Das Lager Derveni wurde in einem früher für Auktionen genutzten Gebäude eingerichtet, das Lager Kalohori in einer Lagerhalle. »Wir haben Industriegebäude ausgesucht, weil die Flüchtlinge in der Nähe der Innenstadt sein wollten«, sagte ein Regierungsvertreter. Derveni liegt zehn Kilometer nördlich, Kalohori sieben Kilometer westlich von Thessaloniki.
Die Hilfsorganisation Save the Children erklärte, Flüchtlinge hätten berichtet, dass sie in Zelten auf nacktem Betonfußboden schlafen müssten. »Für viele Menschen ist die Umsiedlung eine weitere schreckliche Erfahrung«, kritisierte die Mitarbeiterin Amy Frost. In den neuen Unterkünften nahe Thessaloniki herrschten »verheerende Zustände«, es mangle an Wasser und Lebensmitteln sowie an sanitären Einrichtungen. »Es wird besser werden«, sagte ein Mitarbeiter der Regierung in Athen. Die Arbeiten zur Verbesserung seien »im Gange«.
Auch das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) kritisierte die erbärmlichen Lebensbedingungen in einigen Flüchtlingslagern und forderte rasche Verbesserung. Nach der Räumung des Lagers von Idomeni seien viele Menschen in Unterkünfte gebracht worden, die selbst minimalen Standards nicht gerecht werden, erklärte UNHCR am Freitag.
»Die griechischen Behörden müssen mit der von der Europäischen Union bereitgestellten finanziellen Unterstützung rasch Alternativen finden«, sagte UNHCR-Sprecherin Melissa Fleming. Die UN hätten zwar die Evakuierung des Lagers von Idomeni als notwendig akzeptiert, jedoch seien die Zustände in einigen der alternativen Unterkünfte nicht hinnehmbar.
So seien Flüchtlinge aus Idomeni in heruntergekommene Lagerhäuser oder Fabrikgelände gebracht worden, wo Zelte dicht an dicht aufgestellt worden seien. »Die Luftzirkulation ist erbärmlich und die Bereitstellung von Nahrung, Wasser, Toiletten, Duschen sowie elektrischem Strom ist unzureichend«, bemängelt das UNHCR. Unter derartigen Bedingungen würden Flüchtlinge leiden und Spannungen zwischen ihnen würden zunehmen.
Die Räumung von Idomeni hatte die Räumung des Flüchtlingslagers Idomeni unweit der Grenze zu Mazedonien weit schneller als erwartet abgeschlossen. Innerhalb von drei Tagen brachten die Behörden rund 4.000 Flüchtlinge mit Bussen in andere Aufnahmezentren, wie die Polizei am Donnerstag bilanzierte. Der Rest der ursprünglich 8.400 Migranten verließ das Lager auf eigene Faust. Ursprünglich waren für die Räumung zehn Tage veranschlagt.
Die Regierung hatte bereits am Vortag angekündigt, die Polizei werde in Idomeni bleiben, damit keine Migranten zurückkehren. Zudem sollen kleinere Lager in der breiteren Region aufgelöst werden. Zahlreiche Migranten hatten sich vor Beginn der Räumungsaktion von Idomeni am Dienstag auf und davon gemacht und sich in den umliegenden Wäldern versteckt. Andere harren in einem kleinen wilden Lager bei Polykastro etwa 20 Kilometer südlich von Idomeni aus.
Die Behörden wollen jetzt ein kleineres Lager von Geflüchteten im Hafen von Piräus mit rund 2.000 Menschen sowie ein provisorisches staatliches Lager im alten Flughafen von Athen mit etwa 4.500 Menschen räumen, teilte die Regierung mit. Auch diese Menschen sollen in organisierten Lagern untergebracht werden, hieß es. Migrationsminister Ioannis Mouzalas gab im Fernsehen Mängel in staatlichen Lagern zu. Sie sollen aber in den kommenden Wochen behoben werden.
Zeitweise lebten in Idomeni mehr als 12.000 Flüchtlinge. Trotz der schlechten Lebensbedingungen harrten viele Flüchtlinge in der Hoffnung aus, doch noch über die seit dem Frühjahr geschlossene Balkanroute in nördlichere EU-Länder wie Deutschland zu gelangen. Agenturen/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.