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Kapitalismus rettet DDR-Hotel

MEINE SICHT

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 2 Min.

Ätsch. Aus dem geplanten Abriss des alten DDR-Interhotels in Potsdam wird höchstwahrscheinlich nichts. Die fragwürdigen ästhetischen Ansichten der tatsächlich Reichen und angeblichen Schönen, die sich eine möglichst komplett barocke Innenstadt wünschen, setzen sich offenbar nicht durch. Aber warum? Das ist das eigentlich Spaßige an der Sache.

Einstmals wollte SED-Generalsekretär Walter Ulbricht die Potsdamer Garnisonkirche schleifen. Den Sozialismus in seinem Lauf hielt damals und in dieser Frage weder Ochs noch Esel auf. 1968 wurde die Ruine gesprengt.

Heute ist es Potsdams SPD-Oberbürgermeister Jann Jakobs, der in seinem Vorgehen an das realsozialistische Vorbild erinnert, wenn er das ehemalige Interhotel abreißen lassen möchte. Doch auch den Kapitalismus in seinem Lauf hält jetzt und in dieser Frage weder Ochs noch Esel auf.

Der Eigentümer des Hotelhochhauses, das inzwischen schon lange unter dem Namen »Mercure« betrieben wird, hat sich anders entschieden. Er veräußert es nicht an die Abrissfraktion, sondern verkauft es anderweitig. Der Gedanke ans Geld siegte über die Geltungsbedürftigen. Das ist nur logisch. Denn ein vernünftiger Kaufmann beseitigt kein gut gehendes Hotel, schon gar nicht aus rückwärtsgewandter Sentimentalität oder geschichtspolitischer Dickköpfigkeit. Immerhin übernachtete sogar »BILD«-Chefredakteur Kai Diekmann in dem Hotel und lobte dann den Ausblick, den Service und das Preis-Leistungs-Verhältnis. Vorher befürwortete Diekmann den Abriss, nachher äußerte er Verständnis für jene, die den Abriss ablehnen.

Kurios: Mit der Rettung des Interhotels beweist der Kapitalismus einmal mehr, dass er dem Realsozialismus überlegen ist. Ausnahmsweise dürfen sich Sozialisten darüber freuen.

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