Minister im Wahlkampf anonym
Opposition verlangt den Verzicht auf Amtsbezeichnungen, die Koalition lehnt das ab
Ein Blick in die Zukunft: Landtagswahlkampf 2019. Die SPD veranstaltet eine Kundgebung, sagen wir mal auf dem Neustädtischen Markt in Brandenburg/Havel. Mit Plakaten wirbt die Partei für den Termin. Als Redner wird angekündigt: Herr Dietmar Woidke. Dass der Mann Ministerpräsident ist, dürfte nicht erwähnt werden.
CDU und Grünen schlagen vor, die werbende Verwendung von Amtsbezeichnungen in Landtagswahlkämpfen zu verbieten. »Der demokratischen Kultur wäre mit einer solchen Regelung ein Bärendienst erwiesen«, glaubt der Landtagsabgeordnete Björn Lüttmann (SPD). »Die Bezeichnung Ministerpräsident findet sich sogar auf dem Wahlzettel«, argumentiert er.
Der Hauptausschuss des Landtags bemüht sich um eine Klarstellung, was der Ministerpräsident und die Minister in den sechs Wochen vor Wahlen dürfen und was nicht. Dazu fasste der Ausschuss am Mittwoch einen Beschluss. Darin heißt es, unzulässig wären Erfolgsberichte der Regierung »mit möglichen werbenden Auswirkungen«, Eröffnungen und Einweihungen, die auch zu einem anderen Zeitpunkt stattfinden könnten, Tage der offenen Tür in einem Ministerium, wenn es keine Tradition gebe, die Pforte in dem bewussten Monat für Besucher zu öffnen, außerdem die Verleihung von Auszeichnungen, wenn es nicht schon lange üblich sei, diese Auszeichnungen genau dann im Jahr und nicht später zu vergeben.
Dagegen sei es zulässig, die Einladungen von Vereinen und Verbänden anzunehmen und an Festen wie dem Brandenburg-Tag teilzunehmen. »Grundsätzlich«, so heißt es, könne die Grenze des zulässigen Handelns »nur im Einzelfall und unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände« bestimmt werden. Der Chef der Staatskanzlei soll deswegen bis Ende 2017 Kriterien für Einzelfallabwägungen aufstellen.
CDU und Grüne sind unzufrieden. Sie sind überzeugt: »Minister dürfen ihre herausgehobene Stellung nicht für Wahlwerbung ihrer Parteien missbrauchen.« Trotzdem werde gegen das Gebot der Neutralität und gegen das Prinzip der Chancengleichheit regelmäßig verstoßen. »SPD und LINKE weigern sich, aus ihrem bisherigen Fehlverhalten Lehren zu ziehen«, schimpft CDU-Fraktionsgeschäftsführer Jan Redmann. »SPD und LINKE haben den Vorsatz, auch weiterhin mit Steuergeldern Wahlwerbung in eigener Sache zu betreiben«, unterstellt er. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel fügt hinzu, Rot-Rot sei bestrebt, die von der Opposition verlangten Vorgaben »so weit wie möglich zu verwässern«.
Die Methode, durchs Land zu fahren, Fördermittelbescheide zu überreichen, Bänder durchzuschneiden, Ortsumgehungen für den Verkehr freizugeben, hatte die SPD im Landtagswahlkampf 2004 auf die Spitze getrieben. Insbesondere der damalige Infrastrukturminister Frank Szymanski (SPD) hatte in jener Zeit beinahe täglich einen oder mehrere solcher Termine. Die LINKE, die noch PDS hieß, hatte das kritisiert.
Bei der Landtagswahl 2014 war ein solches Vorgehen nicht mehr zu beobachten. Das wäre auch gar nicht mehr möglich gewesen. Denn die rot-rote Koalition hatte sich 2009 zum Ziel gesetzt, in den kommenden fünf Jahren lieber in Köpfe, also in Bildung und Wissenschaft, als in Beton zu investieren. Die Mittel für den Straßenbau wurden so massiv gekürzt, dass die CDU über eine Vernachlässigung der Infrastruktur schimpfte.
Doch es gab trotzdem Ärger, obwohl Finanzminister Christian Görke (LINKE) bei seiner Sommertour 2014 keine Geldgeschenke mitbrachte, sich vielmehr nur informierte wie etwa der Schallschutz am Großflughafen BER in Schönefeld vorankommt oder was aus dem ehemaligen Hospital der sowjetischen Truppen in Teupitz werden könnte. Denn von unzähligen Fotos, die ein Genosse gegen ein klägliches Pauschalhonorar von 700 Euro für das Finanzministerium anfertigte, tauchten im Internet auch einige auf der Seite des Parteipolitikers Görke auf. Schließlich bezahlte der Minister den Fotografen privat.
Die SPD veranstaltete im Landtagswahlkampf 2014 eine Reihe von Bürgerfesten. Die Hauptattraktion dabei: Dietmar Woidke, der Ministerpräsident. Seite 9
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