Schicht fürn Schacht
Niedersachsens Landtag fordert: Bund soll Erweiterung des geplanten atomaren Endlagers verbindlich ausschließen
Das Frühstücksbrötchen hatte vielen Menschen im Raum Salzgitter am 18. November 2014 nach der Zeitungslektüre nicht mehr geschmeckt. War doch an jenem Dienstag zu lesen: Das in der Nähe liegende geplante Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle solle nicht, wie vorgesehen, rund 300 000 Kubikmeter Atommüll aufnehmen, sondern das Doppelte.
Wie von der Europäischen Union gefordert, hatte die Bundesregierung seinerzeit einen »nationalen Entsorgungsplan« aufgestellt, und aus ihm ging hervor: Die bislang kalkulierte Entsorgungsmenge vergrößert sich um rund 100 000 Kubikmeter Schrott aus der Uranabreicherung und um 200 000 Kubikmeter strahlenden Abfalls, der aus dem maroden Bergwerk Asse zurückgeholt werden soll.
Wohin damit? In den Schacht Konrad, hieß es aus Berlin. Der lasse sich schließlich bis zur voraussichtlichen Inbetriebnahme im Jahre 2022 erweitern. Pläne, die Wut und Demonstrationen in der Region auslösten, wo zahlreiche Bürgerinnen und Bürger das Lagerprojekt generell ablehnen.
Rund 70 000 Protestschreiben gingen in die Bundeshauptstadt, Tenor: »Konrad stoppen statt erweitern«. Berlin ruderte zurück, schob die Pläne, die dem Lager insgesamt 600 000 Kubikmeter Atommüll beschert hätten, in den Aktenschrank. Dass sie nie wieder hervor geholt werden, möge die Bundesregierung nun verbindlich zusagen, fordert Niedersachsen in einem Papier, dass der Landtag mit den Stimmen von SPD und Grünen am Mittwoch verabschiedet hat.
Die Koalition will damit auf Nummer sicher gehen. Zwar hatte Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) vor fünf Monaten bei einem Besuch in Salzgitter gesagt, einen Ausbau des Schachts für höhere Kapazitäten halte sie »für äußerst unwahrscheinlich«, hatte aber auch eingeräumt: Sie könne die Erweiterung »zum jetzigen Zeitpunkt nicht hundertprozentig ausschließen«.
Neben dem Nein zum Erweitern wollen SPD und Grüne von der Bundesregierung eine »zeitnah vorzulegende« neue Sicherheitsanalyse für den ehemaligen Erzbergwerk-Schacht Konrad, der bereits 1975 als Endlager ins Auge gefasst worden war. Genehmigt hatte es Niedersachsens Landesregierung 2002, als der Ministerpräsident dort Sigmar Gabriel hieß, der Umweltminister Wolfgang Jüttner (beide SPD).
Ihre zurzeit in Hannover regierenden Genossen und deren Koalitionspartner hegen mittlerweile »berechtigte Zweifel, dass Schacht Konrad dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entspricht«. Und die atompolitische Sprecherin der Grünen, Miriam Staudte, mahnte in der Plenarsitzung: Es sollte kein Atommüll an einem Ort deponiert werden, wo spätere Generationen auf der Suche nach Bodenschätzen das Endlager anbohren könnten.
Als »Verrat an der Region« wertete der unweit Salzgitter wohnende SPD-Abgeordnete Marcus Bosse den - erfolglosen - Gegenantrag der CDU, der besagt: Schacht Konrad solle schnellstmöglich in Betrieb genommen werden. Die Union schränkt zwar ein, die Lagerkapazität dürfe nur nach einem neuen Planfeststellungsverfahren erhöht werden, doch ein klares Nein zum Erweitern ist das nicht.
Klar hatte sich dagegen ein CDU-Mann im April 2015 positioniert: Salzgitters Oberbürgermeister Frank Klingebiel. Während einer Demonstration rief er aus: »Wir wollen Schacht Konrad nicht, und eine Erweiterung von Schacht Konrad wollen wir schon gar nicht. Das gilt für die ganze Stadt und die ganze Region.«
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