Überwachen leichtgemacht
Bundestag debattierte geplantes Anti-Terror-Gesetz des Bundesinnenministeriums
Der Bundesinnenminister kann die Kritik an seinem neuen Anti-Terror-Gesetz nicht nachvollziehen. Vorwürfe, die im Entwurf vorgesehenen Maßnahmen würden die Freiheit aller Bürger beschränken, bezeichnete Thomas de Maizière am Donnerstag gegenüber »Deutschlandfunk« als »absurd«. »Wir ermächtigen den deutschen Dienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), mit europäischen Partnern, mit NATO-Partnern und diesen gleichgestellten Staaten einen gemeinsamen Datenaustausch in Form gemeinsamer Dateien vorzunehmen«, erklärte der Minister und verwies darauf, dass es dem Geheimdienst nur um »verdächtige, nicht unschuldige Bürger« gehe. Doch gerade hier liegt der Hase im Pfeffer: Da sich Bösewichte oft als unschuldige Bürger ausgeben, müssen die Nachrichtendienste auch die unbescholtenen Bürger durchleuchten. Deshalb sollen Telekommunikationsanbieter per Gesetz verpflichtet werden, die Identität von Prepaid-Kunden, zu deren Erhebung sie bereits nach geltendem Recht verpflichtet sind, anhand »geeigneter Identitätsdokumente« zu überprüfen. Zudem soll das BfV gemeinsame Dateienbanken mit ausländischen Nachrichtendiensten einrichten, um so transnationale Netzwerke gemeinsam aufzuklären. Ziele der Sammlung und die Verwendung der Daten sollen in einem Vertrag festgelegt werden, den nur das Bundeskanzleramt absegnen muss. Das Parlament hätte hier nichts zu entscheiden.
Am Donnerstag diskutierte der Bundestag den umstrittenen Gesetzentwurf in erster Lesung. Die Opposition ging dabei mit dem anwesenden Bundesinnenminister hart ins Gericht. Frank Tempel (LINKE) betonte, dass der Entwurf »mit erheblichen Grundrechtseingriffen für Geheimdienste und Polizei« verbunden sei. Zudem werde das Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdiensten wie beim BKA-Gesetz weiter ausgehöhlt, so Tempel, der selbst jahrelang als Kriminalbeamter tätig war.
Der Grüne Innenexperte Hans-Christian Ströbele zeigte sich misstrauisch ob der Tatsache, dass der Begriff »internationaler Terrorismus« zwar im Titel des Entwurfs vorkomme, im eigentlichen Gesetztext aber nicht auftauche. Das verstärkt bei Kritikern den Eindruck, dem Innenminister gehe es weniger um den Terrorismus, als um die Überwachung der eigenen Bürger. Tatsächlich lässt der Text Kooperationen mit anderen Geheimdiensten nicht nur im Terrorkontext zu. Auch Brandstiftung oder Volksverhetzung wären mögliche Rechtfertigungen für eine solche Zusammenarbeit.
Ströbele verwies darauf, dass im Gesetz keinerlei Einschränkungen für die Datensammlungen erwähnt würden. Auch rechtliche Rahmenbedingungen für die gemeinsamen Datenbanken mit ausländischen Diensten seien schwammig regelementiert. »Ereignisse oder Personenkreise« müssten nur von »erheblichem Sicherheitsinteresse« für die Bundesrepublik sein, um erfasst zu werden.
Die Einschränkung, dass man »nur mit verlässlichen Partnern« kooperiere, garantiere keinen Schutz für die Privatsphäre der Bundesbürger. »Leider« seien auch »die USA keine verlässlichen Partner«, erklärte Ströbele mit Hinweis auf die Spionage durch den US-amerikanischen Geheimdienst NSA, dessen zwielichtige Aktivitäten gerade Gegenstand eines Bundestagsuntersuchungsausschusses sind.
Auch den Umstand, dass im Gesetz keine Kontrollinstanz benannt werde, bemängelte Ströbele. Der Anwalt plädierte dafür, den Bundesdatenschutzbeauftragten mit der entsprechenden Überprüfung zu betrauen.
Der Bundesinnenminister nahm die Kritik sichtlich gelassen hin und vertiefte sich während der Debatte in Akten. Denn die Große Koalition plant bereits den nächsten Großangriff auf die Privatsphäre. So veröffentlichte »Netzpolitik« vor wenigen Tagen den Entwurf für einen Gesetzentwurf zur BND-Reform. Das Urteil der Autoren: »Die illegalen Überwachungsmethoden des Bundesnachrichtendiensts sollen einfach legalisiert werden.«
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