Mögen die Spiele beginnen!
Unser Newsblog zum Turnier: Tag 1 der Fußball-EM 2016 in Frankreich / Das Eröffnungsspiel am Abend: Frankreich gegen Rumänien / Ausschreitungen in Marseille / 95 neue Fußball-Regeln / Streik bei Air France beginnt am Sonnabend
Update 19.40 Uhr: Pilotenstreik bei Air France beginnt am Sonnabend
Einen Tag nach Auftakt der Fußball-EM beginnen die Piloten der französischen Fluggesellschaft Air France am Samstag einen viertägigen Streik. Die Fluggesellschaft rechnet am ersten Streiktag mit einem Ausfall von weniger als 20 Prozent aller Flüge, die Arbeit verweigern dürfte rund jeder vierte Pilot. Air France beziffert die Kosten des Streiks auf fünf bis sechs Millionen Euro am Tag.
Die Piloten befürchten eine Auslagerung von Jobs zu Billigtöchtern oder zu der niederländischen Fluggesellschaft KLM, mit der Air France seit 2004 eine Allianz bildet. Sie protestieren zudem gegen Zulagenkürzungen im Zuge eines Sparplans. Derzeit wird in Frankreich in einer ganzen Reihe von Sektoren gestreikt.
Update 18.20 Uhr: Kann die EM ein europäisches Gefühl stärken?
Die EM findet mitten in einer der größten Krisen des Kontinents statt: die große Terrorgefahr, ganz besonders in Frankreich, die nicht selten zu einer Verschärfung der Gesetzgebung zuungunsten von Freiheit und Bürgerrechten führt. Dazu die Flüchtlinge, Griechenland … Es gibt Wichtigeres als Fußball. Doch, natürlich. Aber diese EM könnte helfen, ein gemeinsames Gefühl für Europa zu stärken, schreibt Alexander Ludewig kurz vor dem Turnierstart aus Paris.
Update 17.00 Uhr: Neues Turnier, neue Regeln
Die Schiedsrichter und Profis müssen sich seit Anfang Juni mit 95 Regeländerungen auseinandersetzen. Unter anderem wurde die sogenannte Dreifachbestrafung (Platzverweis, Elfmeter und Sperre bei Fouls im Strafraum) gelockert. Die Schiedsrichter sollen neuerdings Gelb statt Rot zücken, wenn die »klare Absicht« erkennbar war, den Ball zu spielen. Für die Torhüter aber auch Elfmeterspezialisten ist unter anderem wichtig, dass der Schütze bei einem Strafstoß nicht mehr komplett abstoppen darf. Die Neuerungen gehen aber aber noch viel weiter.
Update 15.15 Uhr: Schon vor EM-Start Ausschreitungen in Marseille
In Marseille sind englische Fans in der südfranzösischen Hafenstadt Marseille mit Einheimischen aneinandergeraten. Die Polizei ging am Donnerstagabend auch mit Tränengas gegen einige der rund 200 Beteiligten vor, von denen viele betrunken gewesen seien, wie die Regionalzeitung »La Provence« berichtete. Nach einigen Minuten sei die Lage beruhigt gewesen. Zwei Personen, darunter ein Brite, seien vorübergehend zur Befragung festgenommen worden, sagte der Sprecher des Innenministeriums, Pierre-Henri Brandet, dem Sender BFMTV. Vier Polizisten seien leicht verletzt worden.
Zu den Zusammenstößen kam es gegen Mitternacht vor zwei britischen und irischen Pubs direkt am Kai des alten Hafens von Marseille. Dabei sollen Schmähgesänge wie »Isis, where are you« (Isis, wo seid ihr) angestimmt worden sein. Terroristen des sogenannten Islamischen Staates (IS oder Isis) waren im vergangenen Jahr für die blutigen Anschläge in Frankreich verantwortlich. Auf Videos ist zu sehen, dass bei der Auseinandersetzung auch mit Stühlen geworfen wurde.England bestreitet am Samstag sein erstes EM-Gruppenspiel gegen Russland in Marseille.
Am Abend startet das Turnier in Saint Denis
Im Pariser Vorort Saint-Denis beginnt an diesem Freitag die 15. Fußball-Europameisterschaft – in eben jenem Stadion, das im November 2015 zu den Zielen der Pariser Terroranschläge gehörte. In Frankreich gilt seither der Ausnahmezustand. Während Europa nach rechts rückt und über den richtigen Umgang mit Geflüchteten streitet, versuchen sich die 24 Mannschaften und ihre Fans in Normalität, wie unser Redakteur Alexander Ludewig aus Paris beschreibt.
Trotz der EM und der Hochwasser in Frankreich setzen die Eisenbahner und Piloten auf Arbeitskampf – es heißt Streik, Streik, Streik. Die Protestierenden werben bei Fußballfans und Sportlern um Verständnis – Politiker appellieren indes, aus Rücksicht auf das Sportereignis die Streiks einzustellen. Wohl vergebens – auch wenn der Ton immer rauer wird: Frankreichs Transportminister Alain Vidalies hat nicht ausgeschlossen, die streikenden Zugführer im Vorfeld des EM-Eröffnungsspiels zur Arbeit zu zwingen. »Wenn wir entsprechende Anweisungen geben müssen, werden wir das tun«, sagte Vidalies
In der Mannschaft des Gastgebers Frankreich liegen alle Hoffnungen auf Angreifer Antoine Griezmann, die größten Stars indes fehlen: Unter Didier Deschamps machte Frankreichs Nationalmannschaft einen Imagewandel durch. Stars wie Karim Benzema oder Franck Ribéry müssen das Eröffnungsspiel vorm Fernseher verfolgen.
So ein großes Fußballturnier kann im besten Falle Ablenkung vom Alltag sein. Das »Kribbeln« will jedoch noch nicht einsetzen. Das liegt am Turnier selbst - in einer Zeit, in der Undenkbares zur Normalität geworden ist. Ein Kommentar zum »Ausnahmezustand vom Ausnahmezustand«.
Wer spielt heute gegen wen?
Auch der Spielplan muss sich erst noch warmlaufen. Bevor in den nächsten Tagen jeweils um 15 Uhr, 18 Uhr und 21 Uhr angepfiffen wird, findet heute Abend nur ein Spiel statt, Gastgeber Frankreich trifft im Eröffnungsspiel auf Rumänien. Dafür gibt es eine wahrscheinlich spektakuläre Eröffnungsfeier – und wahrscheinlich Pfiffe für Politiker und UEFA-Funktionäre. Für einen könnte das Turnier ganz bitter werden: Michel Platini. Der frühere UEFA-Präsident ist sein Amt los.
Und während des Turniers könnte er auch noch einen Rekord verlieren. Der Franzose hat mit neun Endrundentreffern, alle erzielt im Jahr des Titelgewinns 1984, noch immer die Spitzenposition unter den EM-Torjägern inne. Doch Cristiano Ronaldo und Zlatan Ibrahimovic könnten mit je sechs bereits erzielten EM-Toren vorbeiziehen. Ein schwacher Trost – Platini dürfte die Spiele der Europameisterschaft in seinem Heimatland im Stadion verfolgen und bekommt dafür höchstwahrscheinlich sogar eine Einladung der UEFA. Vielleicht ist er also live dabei, wenn sein Rekord fällt.
EM-Splitter
– Schon einen Tag vor dem Eröffnungsspiel wurde die Fanmeile am Pariser Eiffelturm eröffnet. Bereits am Donnerstagnachmittag kamen Besucher auf das für bis zu 92.000 Menschen konzipierte Gelände auf dem Marsfeld. Wegen der extremen Sicherheitsvorkehrungen nach den Terroranschlägen des vergangenen Jahres in Frankreich bildeten sich aber lange Schlangen vor den Kontrollpunkten.
– Eine EM ohne Niederlande? Kein Problem, dachte sich ein Kneipenwirt aus Maastricht, direkt an der belgischen Grenze. Er verlegte am Donnerstag kurzentschlossen die niederländische Grenze und stellte neue Grenzpfosten an seiner Kneipe auf. Nun liegt diese symbolisch im Nachbarland Belgien, das anders als die Niederlande bei der Fußball-Europameisterschaft in Frankreich dabei ist. »Wir fanden es schade, dass wir jetzt nicht jubeln können.« Daher beschlossen der Wirt und seine Gäste, Fans der »Roten Teufel« des Nachbarlandes zu werden. Und die Kneipe ist natürlich nicht wie sonst oranje, sondern schwarz-gelb-rot geschmückt.
Wer oder was fehlt?
Nun, eben jene Niederlande – denn anders, als sich ein 24er-Startfeld bei einer EM anfühlt (»Hier darf ja jeder mitspielen!«) haben sich tatsächlich mehr Verbände nicht qualifiziert, nämlich 29, als ab heute bei der Endrunde mitspielen dürfen. Am überraschendsten traf dies die Niederlande. Überhaupt ist es keine gute Zeit für die womöglich konsequentesten Verfechter der Idee, dass der Fußball nicht nur ums Gewinnen kreisen sollte – sondern das das schöne Spiel selbst einen Sieg darstellt. EM-Quali verpasst, dass starb Ende März mit Johan Cruyff auch noch einer der Väter des »total voetbal« – mit nur 68 Jahren. Da scheint es fast folgerichtig, dass der Klub Cruyffs, bei dem er zum besten Mittelfeldspieler aller Zeiten reifte, Ajax Amsterdam am letzten Spieltag der Saison 2015/16 die schon sicher geglaubte Meisterschaft verspielte – nach einem Unentschieden beim Vorletzen De Graafschap zog der PSV Eindhoven noch vorbei. stf/mit Agenturen
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