Erzwungenes Gedenken

Erst auf Drängen der LINKEN gab es eine Bundestagsdebatte zum 75. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 2 Min.
Der Bundestag erinnerte am Mittwoch an den Überfall auf die Sowjetunion, allerdings musste die LINKE hier erst aktiv werden. Der Bundespräsident setzte derweil ganz eigene Zeichen.

Ursprünglich sollte das Gedenken zum Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion zur Mittagszeit im Parlament schnell abgehandelt werden. Dass es am Mittwoch überhaupt zu einer einstündigen Debatte kam, ist der Linksfraktion zu verdanken. Sie setzte den Punkt »75. Jahrestag des Überfalls Deutschlands auf die Sowjetunion« auf die Tagesordnung.

Der ehemalige Linksfraktionschef Gregor Gysi kritisierte in seiner Rede dann auch den »politischen Umgang mit dem Gedenken«. Die 27 Millionen getöteten Sowjetbürger »verlangen einen würdigen Rahmen«. »Eine Gedenkveranstaltung des Bundestages wäre angemessen gewesen«, so Gysi, der auch darauf verwies, dass der Krieg gegen die Sowjetunion »ein Vernichtungskrieg war«.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte in seiner Rede zuvor den Angriff auf die Sowjetunion kaum erwähnt. Er nutzte seine Redezeit stattdessen für einen Diskurs über die Russland-Politik des Westens und ein Plädoyer für Gesprächsbereitschaft.

Derweil kommt Bewegung in die Debatte um die Anerkennung sowjetischer Kriegsgefangener als Opfer des NS-Regimes. Mehr als drei Millionen Rotarmisten starben in deutscher Gefangenschaft. Die Linksfraktion hatte im Mai einen entsprechenden Antrag eingebracht, wonach der Bundestag das Unrecht »mit einer Erklärung anerkennen« solle. Immerhin: Die Grünen »dringen« nun auch darauf, die »Kriegsgefangenen als Opfer des NS-Regimes anzuerkennen«, wie die dpa am Mittwoch meldete. Auch die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Christine Lambrecht, signalisierte am Mittwoch Zustimmung.

Bundespräsident Joachim Gauck sagte gestern: »Kein Land hat im Zweiten Weltkrieg so große Opfer gebracht wie die Sowjetunion«. Doch da befand er sich bereits auf Besuch in Rumänien, »also in dem Staat, der am selben Tag vor 75 Jahren gemeinsam mit Deutschland in der Sowjetunion einfiel, dessen Soldaten und Polizisten in Moldawien, Transnistrien und in der Region Odessa an die 250 000 Juden ermordeten«, wie sich der Historiker Götz Aly in der »Berliner Zeitung« empörte.

Bereits am 20. Juni hatte Gauck, dessen Vater von einem sowjetischen Militärtribunal verurteilt wurde, einen Kranz am »Grabmal des Unbekannten Soldaten« in Bukarest niedergelegt. Dort werden auch jene geehrt, die einst an der Seite ihrer deutschen Kameraden in der Sowjetunion fielen. Am Mittwochmittag empfing man Gauck dann mit militärischen Ehren in Bulgarien, dessen Soldaten als Verbündete Hitler-Deutschlands in Jugoslawien einmarschierten. So setzt man Zeichen.

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