Islands Wunder geht weiter
In der Gruppe E schaffen Ungarn und Island die Sensation – Portugal nur knapp als Dritter weiter
Im Stade de France gab es am Mittwoch Abend viele leere Sitze – vor allem im Bereich der Logen und der teureren Plätze. Und das trotz der sportlichen Brisanz: Österreich hätte fürs Weiterkommen unbedingt einen Sieg gebraucht, verlor aber in der Nachspielzeit mit 1:2. Dadurch steht Island mit sensationellen fünf Punkten im Achtelfinale.
Schon in der zweiten Minute traf Johann Gudmundsson aus 20 Metern an die Latte – dass er schießen würde, überraschte offenbar die gesamte österreichische Hintermannschaft. In der hatte Trainer Marcel Koller eine Dreierkette um Sebastian Prötl, Aleksandar Dragovic und Martin Hinteregger aufgeboten, Christian Fuchs rückte dafür ins Mittelfeld. Dennoch bekam Österreich dort zunächst kaum Übergewicht.
Und dann kamen die Sekunden, in denen gleich zwei Tore fielen. Eines in Lyon, wo Ungarn das 1:0 gegen Portugal erzielte, und eines in Saint-Denis, wo Jon Dadi Bödvarsson aus Kaiserslautern den Ball zur 1:0-Führung der Isländer ins Tor schoss. Zuvor hatte Kari Arnason einen langen Einwurf von Aron Gunnarsson verlängert (18.). Zu diesem Zeitpunkt waren Ungarn und Island also im Achtelfinale, doch noch im ersten Durchgang glich Portugal aus.
Am ersten Sommertag seit Wochen dauerte es in Paris hingegen fast eine halbe Stunde, ehe die gut 25.000 österreichischen Fans den ersten Schuss aufs isländische Tor bejubeln durften: Arnautovic schoss zu unplatziert und köpfte unmittelbar danach einen Kopfball übers Tor (29.). Und dann wurde die österreichische Kurve zum ersten Mal richtig laut. Nachdem Ari Skulason Österreichs David Alaba unnötigerweise durch die Umklammerung von dessen Arm am Kopfball gehindert hatte, pfiff Schiedsrichter Szymon Marciniak Elfmeter. Doch Aleksandar Dragovic schoss den Ball an den Außenpfosten (37.).
Nachdem der künftige Leverkusener Julian Baumgartlinger Keeper Halldorsson noch einmal zu einer Parade gezwungen hatte (41.), ging es in die Pause. Und es sah alles danach aus, als könnten die Spieler von der 330 000-Einwohner-Insel ihre Glückstage fortsetzen. Nicht, dass sie brillanten Fußball gezeigt hätten, aber Österreich war insgesamt die Mannschaft, die sich mehr Abspielfehler leistete und zu umständlich agierte. In einem spannenden Spiel waren das keine guten Voraussetzungen, um das Spiel noch zu gewinnen.
Die Mehrheit der einheimischen Zuschauer schien darüber auch nicht unglücklich zu sein. In den ersten Turnierwochen hatten die Isländer in Frankreich durch konsequent sympathisches Auftreten Werbung in eigener Sache gemacht und dabei Gastronomen, Polizisten und Passanten gleichermaßen für sich eingenommen. Die einen freuten sich über den hohen Umsatz an alkoholischen Getränken, der in isländischen Mägen landete. Die anderen blieben entspannt, weil auch betrunkene Isländer friedliche Isländer blieben.
Österreichs Trainer Marcel Koller brachte nun mit Marc Janko und Alessandro Schöpf zwei Offensivkräfte und hatte kurz darauf allen Grund, sich aufzuregen. Skulason senste Stefan Ilsanker im Strafraum um, so dass der nicht zum Kopfball kam. Es hätte den zweiten Elfmeter geben müssen, den Skulason verschuldet hätte – diesmal jedoch unabsichtlich, der Mann aus Odense war vor seinem Foul selbst ausgerutscht. Dementsprechend wütend reagierte Österreich, das durch Marcel Sabitzer (53.) und Schöpf (55.) zu guten Chancen kam, ehe der Schalker den Ausgleich erzielte; mit einem platzierten Linksschuss traf er ins lange Eck (60.). Österreich hatte zu diesem Zeitpunkt satte 68 Prozent Ballbesitz, lag aber immer noch auf dem letzten Tabellenplatz, weil es in Lyon parallel 3:3 stand. Nun vergaben Janko (69.) und Schöpf (73.) beste Möglichkeiten, während Island, das durch Ragnar Sigurdsson immerhin noch mal einen Abschluss zustande brachte (65.), zusehends Kraft und Ausdauer verließ. Doch mit den letzten Kraftreserven spielten die Männer von der 330 000-Einwohner-Insel noch einen einzigen Konter sauber zu Ende: Arnor Ingvi Traustason traf in der Nachspielzeit zum umjubelten 2:1.
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