Albanien Opfer des EM-Modus’
Nach vier Tagen Zittern scheidet der Neuling aus
Tirana. Ihre neuen Diplomatenpässe hatten die in ihrer Heimat zu Helden gewordenen albanischen Fußballer am Donnerstag auf der Rückreise nach Tirana noch nicht dabei. Dafür aber jede Menge Emotionen, die zwischen Stolz, Enttäuschung und Wut hin und her schwankten. »Ein fantastisches Kapitel des albanischen Fußballs geht zu Ende, nachdem wir aufgrund der Tordifferenz ausgeschieden sind«, schrieb Premierminister Edi Rama auf Facebook nach dem Aus Albaniens als schlechtester EM-Gruppendritter.
Rama stellte dem Nationalteam einen feierlichen Empfang in der Heimat in Aussicht und versprach, alle Nationalspieler mit Diplomatenpässen auszustatten. »Albanien hat sich über den Fußball hervorragend verkauft. Da wollte der Präsident als Dankeschön etwas zurückgeben«, erläuterte der frühere Bundesligaprofi Altin Lala, der das Prozedere noch aus seiner eigenen aktiven Zeit kennt: »Damals waren die fünf Jahre lang gültig, jetzt wahrscheinlich etwas länger.«
Mit dem Team fieberte Lala, der in der Qualifikation noch Assistent von Cheftrainer Gianni De Biasi gewesen war, tagelang am Fernseher mit. »Der Stolz überwiegt. Wir waren das erste Mal dabei und haben ein Spiel gewonnen. Das zählt«, so Lala. Doch die Gefühlswelt der Spieler sah wohl etwas anders aus. Mergim Mavraj vom 1. FC Köln postete am Mittwochabend ein weinendes Smiley bei Facebook.
Erst in diesem Moment stand fest, dass der EM-Neuling raus ist. Dabei hatte Albanien sein letztes Vorrundenspiel schon am Sonntag gegen Rumänien 1:0 gewonnen. Als Gruppendritter hatte der Außenseiter nach dem neuen Format mit 24 Teams noch die Chance aufs Achtelfinale. »Ich musste mir das nach unserem Sieg gegen Rumänien erst mal erklären lassen. Dann habe ich geahnt, dass wir drei Tage lange am Fernseher zittern müssen«, echauffierte sich Mavraj in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«.
Die Albaner, die mit ihrem beherzten Auftreten viele Sympathien gewannen, mussten sich am Ende als Opfer des neuen EM-Modus fühlen. Mavraj sprach gar von Wettbewerbsverzerrung. »Es kann nicht Sinn eines Turniers sein, dass man solche Vergleiche macht.« Während Albanien im Rennen um einen Platz unter den vier besten Gruppendritten vorgelegt hatte, konnten die restlichen Kandidaten nachlegen. »Die anderen wussten genau, wie sie spielen mussten, um uns zu überholen«, beschwerte sich Mavraj.
Mit dem ersten EM-Sieg machten die Albaner ihr Volk dennoch glücklich. »Damit haben wir Geschichte geschrieben«, sagte Abwehrspieler Arlind Ajeti. dpa/nd
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