»Spiele sollten cool und frech sein«
Entwickler Marco Teubner hat es mit einem Steinzeitthema zum »Kinderspiel des Jahres 2016« geschafft
Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit dem Verlag Hans im Glück?
Die internationalen Vertriebspartner von Hans im Glück haben angeregt, zum erfolgreichen Kennerspiel »Stone Age« auch ein Kinderspiel zu entwickeln. Daraufhin wurde ich gefragt, ob ich das mal probieren wolle. Die Entwicklung hat ein Dreivierteljahr gedauert. Einmal wurde das Konzept komplett über den Haufen geworfen.
Warum?
In »Stone Age« setzen die Spieler Arbeiterfiguren ein. Dabei kommt es vor allem auf das Timing, den richtigen Zeitpunkt, an. Erst wollte ich das nachempfinden. Aber es hat sich gezeigt, dass Kinder das nicht leisten können.
Ohnehin ist »Stone Age Junior« aber recht anspruchsvoll geworden.
Schon, aber der Anspruch ist versteckt hinter der niedlichen Aufmachung. Was sie sammeln müssen, um eine Hütte zu bauen, verstehen Kinder recht schnell. Und nach und nach merken sie dann, was da noch alles geht. Zum Beispiel neigen die Kinder dazu, sofort den Hund zu nehmen, der ein Joker ist. Aber man braucht den Joker am Anfang noch nicht, und man kann ihn wieder verlieren. Da viele Kinder auf den Hund fixiert sind, kam schließlich ein zweiter Hund ins Spiel, um Frust zu vermeiden.
Wie testen Sie solche Dinge?
Erstens bei Nachmittagsbetreuungen in Schulen, zweitens in Kindergärten und drittens privat. Ganz wichtig ist, dass ich miterlebe, was passiert. Schriftliche Berichte helfen nicht weiter. Ich muss sehen, wie Kinder sich verhalten. Bevor wir starten, frage ich immer: Habt ihr Lust dazu? Und falls nein, ist das auch in Ordnung. Als Alternative zu den Testspielen habe ich auch fertige Spiele dabei
Der Verlag Hans im Glück publiziert üblicherweise keine Kinderspiele. Hat der Verlag sich bei den Tests voll auf Sie verlassen?
Vor einigen Jahren gab es schon einmal eine Zusammenarbeit. Damals ist dann in der ersten Auflage von »Die Kinder von Carcassonne« ein großer Fehler passiert. Der Verlag hat in Eigenregie die Plättchen missverständlich gestaltet. Um so etwas zu vermeiden, war ich diesmal sehr intensiv und bis zum Schluss eingebunden. Als die Redaktion bereits das finale Okay geben wollte, habe ich darauf bestanden, dass der Verlag noch von dritter Seite Meinungen zum Spiel einholt.
Gab es noch etwas Besonderes in der Zusammenarbeit?
Die meisten Verlage überlegen: Was können wir einsparen? Zum Beispiel schlagen sie vor, ob man statt einer Holzfigur nicht auch Pappe nehmen kann. Im Dialog mit Hans im Glück ging es nie um solche Dinge. Das Bestreben war einzig und allein, dass es ein möglichst gutes Spiel wird. Das war eine tolle Erfahrung!
Wie wichtig ist eigentlich Thementreue bei der Entwicklung eines Spiels? Kinder sollen ja nichts Falsches lernen.
Die Steinzeit ist kein leichtes Spielthema, weil Kinder oft falsche Vorstellungen haben. Wir haben recherchiert: Wann wurde der Hund domestiziert? Ab wann wurden beim Fischen Reusen eingesetzt? Trotzdem reitet auf dem Cover ein Kind auf einem Mammut. Wir haben versucht, einen Mittelweg zu finden, der die Vorstellungen bedient, aber auch die echte Steinzeit nachempfindet.
Was wird die Auszeichnung »Kinderspiel des Jahres« für Sie ändern?
Ich will meine Motivation nicht aus einem Preis ziehen, sondern daraus, dass ich tolle Spiele entwickle. Gleichzeitig hilft mir der Preis, meinen Beruf langfristig weiter auszuüben. Zuletzt habe ich recht viele Auftragsarbeiten gemacht. Ich hoffe, dass ich jetzt wieder freier arbeiten kann und mehr Künstler als Dienstleister bin.
Sie haben auch elektronische Spiele entwickelt. Denen wird ja vielfach die Zukunft prophezeit. Der ganz große Durchbruch steht aber weiter aus. Wieso?
Die Elektronik drängt sich noch zu sehr in den Vordergrund und lenkt vom eigentlichen Spielgeschehen ab. Sie müsste sich mehr unterordnen, damit unabhängig von ihr ein eigenes Spielgefühl entstehen kann.
Ihre älteste Tochter ist mittlerweile 13 Jahre alt. Werden Sie zukünftig mehr Familienspiele entwickeln?
Es wird wohl ein wenig in diese Richtung gehen, da ich meine Leidenschaft gemeinsam mit meinen Kindern ausleben möchte. Das Lieblingsspiel meines Siebenjährigen ist das anarchische Würfelspiel »King of Tokyo«. Ich glaube, Spiele sollten cool und frech sein, um anzusprechen. Ich habe es zwei Mal mit solchen Spielen bei Verlagen versucht. In beiden Fällen ist die Umsetzung am Ende aber eher lieblich geworden. Französische Verlage wagen da mehr. Deshalb würde ich gerne mal ein Spiel mit einem französischen Verlag machen.
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