»Es geht nur um neue Märkte«
Die Aktivistin Ruth Nyambura warnt vor mehr Patenten auf Pflanzen und kritisiert die westliche Bevormundung Afrikas
Frau Nyambura, große Biotechnologie-Konzerne versprechen mit ihrem Saatgut besonders ertragsreiche Pflanzen. Ist das eine Chance für afrikanische Bauern?
Wir erleben ständig, wie traditionelles einheimisches Saatgut die oft genmanipulierten Sorten um Längen schlägt. Die unterschiedlichen traditionellen Samen in Kombination mit dem Wissen um vielseitige Anbaumethoden, das die afrikanischen Bäuerinnen und Bauern haben, sorgen für Biodiversität. Die Ökosysteme und damit auch die Ernten bleiben so eher stabil. Für die Anpassung an den Klimawandel brauchen wir das. Das Saatgut der großen Biotech-Konzerne ist für die Bäuerinnen und Bauern vor allem eines: teuer. Man muss das Saatgut jede Saison neu kaufen und die Pflanzen zusätzlich mit Chemiekeulen düngen. Es ist auf eine industrielle Arbeitsweise ausgelegt.
Wenn Europa mehr Patente auf Pflanzen zulässt, was hätte dieser Schritt für Folgen für afrikanische Bäuerinnen und Bauern?
Sicher, das hätte enorme Auswirkungen darauf, wie sich unser Kontinent ernähren kann. Kleinbauern - rund 85 Prozent der afrikanischen landwirtschaftlichen Produktion werden von diesen bestritten - können bisher die einheimischen Samen sammeln, sie untereinander tauschen oder verkaufen. Liegen plötzlich Lizenzen auf manchen Pflanzen, wäre diese in vielen Regionen gängige Praxis kriminell. Besonders betroffen wären davon die Frauen, denn sie erledigen drei Viertel der landwirtschaftlichen Arbeiten. Für solche Patente auf Natur gibt es keine überzeugende Begründung, sie nützen allein den großen Biotech-Konzernen und vielleicht noch einigen wohlhabenden Großbauern.
Regt sich denn Widerstand?
Es gibt die »Alliance for Food Sovereignty in Africa« für den ganzen Kontinent. Dann gibt es Organisationen auf nationaler oder sogar regionaler Ebene, zum Beispiel die »Food Rights Alliance« in Uganda und das »African Biodiversity Network« in Kenia. Außerdem setzen sich unzählige Bauernkollektive, aber auch Akademiker dafür ein, dass die landwirtschaftlichen Methoden gefördert werden, die afrikanische Bäuerinnen und Bauern seit Ewigkeiten benutzen und weiterentwickeln. Der Westen ist davon besessen, Afrika seine eigenen Fehler wiederholen zu lassen. Da ist überhaupt nichts Altruistisches dran, es geht nur um neue Märkte für Dünger, Herbizide und Saatgut.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!