Winterfest und klimatisiert
Waggons für den S-Bahn-Ring sollen künftig besser funktionieren
Die Entwickler des neuen Fuhrparks waren mit vielen Wünschen und wenig Platz konfrontiert. Sie sind jedoch zuversichtlich, die Aufgabe zu meistern.
Von Nicolas Šustr
»Bitte von der Tür zurücktreten, sonst können wir nicht weiterfahren.« Diese Ansagen kennen viele Berliner, die in überfüllten BVG-Bussen unterwegs sind. Künftig werden sich auch S-Bahn-Passagiere daran gewöhnen müssen, zumindest wenn sie mit den neuen Zügen der Baureihen 483 und 484 fahren werden, die gerade gemeinsam von den Schienenfahrzeugbauern Stadler und Siemens entwickelt werden. Denn sie sollen wie Linienbusse und einige Regionalbahnzüge Lichtschranken an den Türen erhalten. Das erfahren die Besucher am frühen Montagabend bei einem Vortrag in der Technischen Universität von Nicklas Meyer, der bei Stadler die Entwicklung der neuen Baureihe leitet. »Ich bin aber zuversichtlich, dass sich die Fahrgäste nach einer kurzen Anlernzeit daran gewöhnen«, sagt Meyer. Das Publikum ist skeptisch.
Die Lichtschranken sollen vor allem den Energieverbrauch der Klimaanlagen senken, die erstmals in Berliner S-Bahnen eingebaut werden. Nach 15 bis 20 Sekunden werden die Türen von selbst schließen, wenn niemand mehr ein- oder aussteigt, kündigt Meyer an. »Sie müssen dann im Winter nicht mehr aufstehen, um die Türschließtaste zu drücken«, wirbt er für die Neuerung.
Platz für die Klimatisierung zu finden war eine der vielen Aufgaben, die die Entwickler meistern mussten. Denn die Wagen für das hauptstädtische Netz müssen für Eisenbahnfahrzeuge ungewöhnlich niedrig sein. Grund dafür ist vor allem das kleine Profil des Nord-Süd-Tunnels. Die Komponenten mussten aufgeteilt werden. Einige hängen unter den Fahrzeugen, andere hinter Abdeckungen über den Sitzplätzen.
Nicht nur die Klimaanlagen, sondern auch verschärfte Crashnormen sorgen für zusätzliches Gewicht und beschränken den Raum für Sitzplätze zusätzlich. Das wird teilweise mit aus Aluminium statt wie bisher aus Stahl gefertigten Wagenkästen ausgeglichen. Die Rohbauten werden aus einem ungarischen Werk in die Pankower Stadler-Fertigung angeliefert. Trotz der Klimatisierung wird es auch künftig Klappfenster geben, die aber normalerweise verriegelt sind. »Die werden sich nicht mit einem gewöhnlichen Vierkantschlüssel öffnen lassen«, sagt der Ingenieur.
Als »mehrdimensionales Schachspiel« bezeichnet Harald Schultz-Eich, Meyers Konterpart bei Siemens, die Aufgabe, die sich aus den Berliner Randbedingungen ergab. Siemens ist für die elektrische Ausrüstung und die Drehgestelle verantwortlich. Viele der Komponenten wurden von Zügen für die U-Bahn der norwegischen Hauptstadt Oslo entlehnt. Schultz-Eich verspricht daher eine hohe Winterfestigkeit.
Trotzdem waren viele Anpassungen nötig, unter anderem mussten die Räder verkleinert werden, denn in der Hauptstadt liegen die Einstiege niedriger. Und weil die Stromversorgung in Berlin schwächer ausgelegt ist, musste Schultz-Eich sehr genau darauf schauen, wie viel Leistung die einzelnen Komponenten ziehen. »Unschöne Randbedingungen«, nennt er das.
»Wir wollten die Betriebsschwierigkeiten der letzten Jahre unbedingt vermeiden«, sagt der Siemens-Mann. Daher habe man alle Probleme sehr genau studiert. Und entsprechend bei der Bremstechnik - es wird kein Sand mehr benötigt - und der Hitze- und Kältefestigkeit entsprechende Lösungen gefunden. Kopfzerbrechen bereiteten auch die sehr scharfen Lärmgrenzwerte. Um hier auf der sicheren Seite zu sein, können jedoch noch Schallabsorber nachgerüstet werden. Bei den neuen S-Bahnen kommt fast nur erprobte Technik zum Einsatz. »Wir sind gerade angetreten, keinen Innovationsträger zu bauen«, sagt Schultz-Eich, um sein Zuverlässigkeitsversprechen zu unterstreichen.
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